Künstliche Intelligenzen dominieren immer mehr unseren Alltag. Ob auf unseren Smartphones durch Gesichts- und Spracherkennung oder als Empfehlungen für weitere Produkte auf Shopping-Webseiten. Für die Erforschung intelligenter Systeme sind grosse Rechenleistungen von Computern notwendig, die enorm viel Strom brauchen. Die grosse Frage lautet deshalb: Wie ökologisch ist die Anwendung von künstlicher Intelligenz?
Die oft unbegrenzte Technik-Euphorie in Politik und Unternehmen ermöglicht derzeit einen gewaltigen Sprung der Möglichkeiten künstlicher Intelligenzen. Die Autoindustrie erprobt autonome Fahrsysteme, die schon in einigen Jahren selbstfahrende Autos auf den Strassen ermöglichen sollen. In der Medizin ersetzt KI zunehmend die Arbeit von Ärztinnen und Ärzten bei der Diagnose von Krankheiten.
KI ist ein Forschungsfeld, welches ein riesiges Wachstumspotenzial bietet mit technologischen Möglichkeiten, von denen die Menschheit noch bis vor wenigen Jahren nur träumen konnte. KI ermöglicht Innovationen im Bereich der Herstellung von Produkten, der Verbesserung des Komforts in unserem Alltag, vernetzte Energie- und Verkehrsinfrastrukturen oder neue Lösungsansätz für das Abfall- und Ressourcenmanagement.
KI steht vor drei grundsätzlichen Herausforderungen. Einerseits geht es um die philosophische Frage, ob es sinnvoll ist, dass wir Menschen Entscheidungen und Lösungen vermehrt an künstliche Systeme auslagern? Zweitens besteht die Gefahr, dass riesige Tech-Unternehmen – die teilweise Milliarden in die Forschung und Entwicklung stecken – Monopole bilden und KI weniger als humanistisches Projekt, sondern in erster Linie als eine Investitions- und Profitmöglichkeit betrachten. Der dritte Punkt betrifft die ökologische Frage. Die Entwicklung von artifizieller Intelligenz ist enorm ressourcen- und energieintensiv und angesichts den Herausforderungen der Klimakrise ein ernsthaftes Problem.
Künstliche Intelligenz sollte deshalb nicht nur aus rein wirtschaftlichen Aspekten von Innovation, Wachstum und Wettbewerb betrachtet werden, sondern als gesellschaftliches Gemeinwohl-Projekt, das gleichzeitig die Umweltbedingungen berücksichtigt. Das Stichwort ist Green AI.
KI beruht auf riesigen Datenmengen. Die Systeme werden gewissermassen mit gewaltigen – oft unstrukturierten – Datenmengen «gefüttert» und lernen so «Ordnung» ins Chaos zu bringen und anhand der Daten Muster zu erkennen. Dieser Prozess ist enorm ressourcen- und energieintensiv. Besonders viel Strom verbraucht das sogenannte Deep Learning, bei dem grosse Datenmengen in künstlichen neuronalen Netzen (KNN) analysiert werden, um damit Muster zu erkennen und Prognosen zu erstellen. Wissenschaftler:innen sprechen deshalb oft von KNN und nicht von Künstlicher Intelligenz.
Diese enormen Energiemengen belasten die Umwelt stark. Das «Trainieren» eines künstlichen neuronalen Netzes, welches beispielsweise zur Spracherkennung eingesetzt wird, verbraucht etwa 0.65 Tonnen CO2. Der CO2-Ausstoss entspricht etwa einem Hin- und Rückflug von Zürich nach Lissabon.Umso leistungsstärker KI-Systeme werden, desto mehr Energie verbrauchen sie. Der Energieverbrauch beim Training steigt also parallel mit der Intelligenz der Systeme.
Grosse US-Tech-Unternehmen wie Google, Facebook oder Apple, aber auch Unternehmen in Asien wie AdMov, Cortica oder SigTuple, forschern derzeit intensiv an neuen KI- und KNN-Systemen. Durch die Politik und den lokalen Regierungen müssen die Unternehmen derzeit praktisch nicht mit Regularien, Gesetzen oder Einschränkungen rechnen.
Genau das ist das Problem. Es braucht – auch in Europa – dringend eine einheitliche Gesetzgebung und Kontrolle der KI- und KNN-Forschung. Auch die Frage der Nachhaltigkeit und der Umgang mit natürlichen Ressourcen muss auf politischer Ebene geklärt werden. Die Politik muss nachhaltige Kriterien festlegen, unter denen Künstliche Intelligenz entstehen kann. Weiter sind die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt genauer zu untersuchen.
Ein weiteres Feld ist die Frage der verwendeten Daten. Wem gehören die Daten? Woher kommen sie? Grosse Unternehmen können sich oft auch grosse Datenmengen leisten – oder – wie im Falle von Sozialen Netzwerken wie Facebook – generieren sie durch ihre Nutzer:innen gleich selbst. Es ist deshalb wichtig, dass Datenpools nicht nur reguliert werden, sondern auch Forschungseinrichtungen und Unternehmen die dem Gemeinwohl verpflichtet sind, zur Verfügung stehen.
Gleichzeitig sollten Politik und Medien auch vermehrt eine tiefere Debatte über den Zweck und die Notwendigkeit von KI und KNN führen. Wie weit wollen wir als Gesellschaft die Kontrolle über gewisse Entscheidungsfindungen überhaupt an intelligente Systeme abgeben? Welche Auswirkungen hat das auf die Demokratie, die Umwelt und die Psyche von uns Menschen?
KI und KNN ist ein schwer zu vermittelndes Thema, gerade weil es für viele Menschen noch immer etwas Abstraktes ist. Transparenz, auch hinsichtlich der Verwendung von Daten, ist deshalb zwingend bei der Kommunikation in der Öffentlichkeit. Beispielsweise bräuchte es eine staatliche Institution, die sich speziell um die Vermittlung von gesellschafts- und umweltrelevanten Themen im Zusammenhang mit zukünftigen Technologien beschäftigt. Auch das Bildungssystem muss in diese Richtung angepasst werden. Es reicht nicht, algorithmische Systeme von KI und KNN nur auf mathematischer Ebene an Hochschulen transparent zu machen, sondern auch die möglichen sozialen und ökologischen Folgen müssen Teil einer umfassenden Bildung sein.
Aufgrund von exponentiellen Wachstumsaussichten im Markt von künstlicher Intelligenz ist die Politik bisher eher zu zurückhaltend. KI und KNN bringen aber nichts, wenn wir als Gesellschaft nicht auch die ökologischen und sozialen Zusammenhänge zu verstehen beginnen. Auch die Transformation im Energiesektor (CO2-Steuer, erneuerbare Energien etc.) muss entsprechend solcher neuen Technologien angepasst werden. Das Ende des fossilen Energiezeitalters muss dabei immer mitgedacht werden.
So toll künstliche Intelligenzen und künstliche neuronale Netze für unseren Alltag auch sein können und uns neuen Komfort bringen, dürfen wir nicht vergessen, dass «wir» Menschen diese Technologien entwickeln. Die Konsequenzen für uns und künftige Generationen sollten dabei immer mitgedacht werden.
