Corona: Wurde heute ungewollt der Shutdown beschlossen?

Die Wirtschaft soll nicht mit einem Lockdown geschädigt werden. Die Clubs, Bars und Restaurants dagegen schon.
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Die Schweiz und Deutschland fahren am gleichen Tag zwei völlig unterschiedliche Strategien. Die Schweiz verzichtet auf einen Lockdown, während Deutschland das öffentliche leben ab Montag grösstenteils ein zweites Mal einschränkt. Dies obwohl die Ansteckungszahlen relativ gesehen zur Schweiz deutlich niedriger sind. Welche von beiden Strategien aufgehen wird, wird sich in den kommenden zwei Wochen zeigen. Im schlimmsten Fall droht der Schweiz mit dem heutigen Entscheid eine noch viel grössere wirtschaftliche und soziale Katastrophe.

Die Auftritte und Massnahmen könnten unterschiedlicher nicht sein. In Bern treten Bundesräte vor die Medien und in Berlin fast zeitgleich Bundeskanzlerin Angela Merkel. Während Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga beteuert, niemand wolle einen Lockdown, verkündet Angela Merkel in Deutschland genau dies. Natürlich will niemand einen Lockdown, aber vielleicht wäre eine solche Massnahme auch für die Schweiz das Beste.

In Deutschland könnten derzeit 75 Prozent aller Ansteckungen nicht mehr zurückverfolgt werden, so Merkel. Die Lage sei gewissermassen ausser Kontrolle. Dies obwohl die Situation relativ zur Einwohnerzahl in Deutschland noch nicht so gravierend ist wie in der Schweiz. Deutschland hat zehn Mal so viele Einwohner wie die Schweiz, 83 Millionen Menschen. In den vergangenen Tagen zählte Deutschland aber lediglich rund 11.000 Neuansteckungen, die Schweiz etwa 6’000.

Während die Schweiz im europäischen, ja sogar im weltweiten Vergleich ein Hotspot ist mit Neuansteckungen, steht Deutschand vergleichsweise gut da, (siehe untenstehende Grafik). Selbst die USA stehen derzeit besser da. Dennoch geht Deutschland bedeutend weiter mit den Massnahmen. Wenn Merkels Strategie aufgeht, sinken die Ansteckungen in Deutschland bis Ende November wieder auf ein Niveau, das für das Gesundheitssystem verkraftbar ist. Weihnachten wären damit «gerettet».

Quelle: ourworldindata.org

Und die Schweiz? Die Schweiz tut, übertrieben gesagt, so, als ob nichts wäre. Seit Wochen hört man, der Bundesrat verfolge die Situation sehr genau. So genau, dass er es offensichtlich nicht für nötig hält, für die kommenden Wochen das öffentliche Leben entschiedener herunterzufahren. Ausser in Clubs und Bars, die schliessen müssen, verläuft das öffentliche Leben bis auf einige Einschränkungen wie begrenztere Anzahl Menschen an Anlässen, weithegend wie bisher.

Angst vor einer alfälligen Überlastung des Gesundheitssystems und der Spitäler hat Gesundheitsminister Alan Berset offensichtlich nicht. Im Gegenteil. Das Schweizer Gesundheitssystem stehe im Vergleich zum Ausland gut da. Man könne die Schweiz nicht mit dem Ausland vergleichen.

Es ist wirklich zu hoffen, dass diese Strategie aufgehen wird. Daran zu glauben fällt allerdings um einiges schwerer. Sollte die Strategie nicht aufgehen, wird ein Lockdown Ende/Mitte November wahrscheinlich unvermeidbar. Dann dürften die Auswirkungen für die Gesundheit der Menschen und für die viel beschworene Wirtschaft weit dramatischer ausfallen.

Die Bundesräte betonten mehrmals, dass ein Lockdown – so wie ihn Deutschland heute beschlossen hat – für die Schweiz nicht in Frage komme. Der Grund: das Weihnachtsgeschäft steht auf dem Spiel. Sollte es im Dezember allerdings zu einem Lockdown kommen, steht ganz Weihnachten auf dem Spiel. Ein kurzer Lockdown von einigen Wochen hätte Weihnachten 2020 vielleicht sogar den nötigen besinnlichen Touch gegeben, von dem alljährlich alle reden, der aber nicht existiert.

Wähend der Bunderat offen lässt, wie lange die heute getroffenen Massnahmen gelten, macht Bundesrätin Sommaruga gleichzeitig klar, es werde ein einschneidender Herbst. Herbst? Die ganze Geschichte wird uns wohl bis in den kommenden Frühling beschäftigen. So schnell gibt es kein zurück zum bisherigen Rhythmus des Lebens und der Öffentlichkeit.

Problematisch war auch die Kommunikation an der heutigen Medienkonferenz. Bundespräsidentin Sommaruga appelierte an die Menschen, «jetzt zusammenzuhalten». Im Frühling sei das schliesslich auch gegangen. Ja, zusammenhalten ist gut. Aber das reicht nicht.

Das Zauberwort der Stunde heisst «Eigenverantwortung». Das heisst, den Menschen wird das Problem in einem gewissen Grad selbst überlassen. «Ihr müsst euch halt verantwortlich verhalten, wir haben es euch ja gesagt.» So könnten anschliessend auch die finanziellen Folgen und Auswirkungen auf die Gesellschaft abgeschoben werden. Hoffen wir es nicht.

Eigentlich hätte der Bundesrat einen Lockdown für die kommenden Wochen verhängen müssen bei gleichzeitiger klarer Ankündigung und Kommunikation, wie Selbständigen und Kunstschaffenden finanziell geholfen wird. Beispielsweise mit der Ankündigung: X Milliarden stehen bereit für einzelne Branchen. Die Kulturbranche ist nun der leidtragende Sektor. Immerhin hätte der Bundesrat heute einige Hundert Millionen für diese Branche als Soforthilfe bereitstellen sollen. Das ist nicht passiert. Die Menschen sind weiterhin im Ungewissen.

Hoffen wir, dass mit den heutigen Entscheidungen nicht 2020 noch ganz an die Wand gefahren wurde. Das passiert nämlich spätestens dann, wenn es doch nicht zu einem Lockdown kommen wird. Dann könnte es aber definitiv zu spät sein.

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