Die zweite Welle ist da. Viele – inklusive manche in Politik und Wirtschaft – geben sich überrascht, dass die zweite Corona-Welle jetzt so heftig einschlägt. Dass es eine zweite Wellt im Herbst geben wird, war so sicher, wie das Amen in der Kirche. Die Medienkonferenzen des Bundes und die Fragen der anwenden Medien sind teilweise grotesk und scheinen wie aus einem schlechten Film zu sein.
Der Bundesrat «beobachtet die Covit-19-Entwicklung genau», hat man in den vergangenen Tagen mehrmals gehört und gelesen. Ja, was denn sonst? Alles andere würde überraschen. Stellt euch einen Bundesrat vor, der nicht genau beobachtet, was passiert. «Achso, dieses Virus, ja davon haben wir Bundesräte heute morgen vor der Sitzung etwas in der Zeitung gelesen, um was geht es da?»
In den vergangenen Tagen konnte man auch lesen, «der Bundesrat diskutiert Lockdown-Szenario». Ja, klar, was denn sonst? Alles andere würde mich verwundern. Eine Regierung, die nicht Möglichkeiten und Eventualitäten diskutiert und sich alfällige Szenarien überlegt, ist keine handlungsfähige Rgierung. Folglich ist auch die Meldung, dass der Bundesrat Lockdown-Szenarien diskutiere, journalistiascher Schwachsinn. Logisch diskutiert er das.
Der Schweizer Gesundheitsminister Alain Berset betonte heute an der Medienkonferenz, es gebe zwei Optionen, die er sicher ausschliessen könne. Option eins: Shutdown bis kommenden Frühling, bis wieder alles vorbei ist. Option zwei: Nichtstun und Abwarten, bis das Virus wieder von alleine verschwindet. Dass diese beiden Optionen keine realistischen Optionen sind, muss ein Bundesrat eigentlich nicht erklären. Oder gibt es ernsthaft Menschen im Land, die eine der beiden Optionen in Betracht ziehen?
Realitätsfremd sind aber auch immer wieder die Fragen der Journalistinnen und Journalisten an den Corona-Medienkonferenzen. Vor wenigen Tagen fragte jemand am Telefon ernsthaft, ob angesichts des vom Bunderat empfohlenen Home Office‘, Betriebe des Öffentlichen Verkehrs bald wieder finanzielle Hilfe erwarten dürften, weil nun wieder weniger Menschen im ÖV unterwegs seien.
Ernsthaft? Sind das die grossen Fragen, die Journalistinnen und Journalisten in diesen Tagen stellen? Subventionen für den ÖV? Als ob die SBB bankrott gehen würde und die Schweiz nach Corona ohne Öffentlichen Verkehr weiter existieren müsste. Ja, das wäre wirklich ein Horror-Szenario. Gut, hat diese Angst jemand thematisiert.
Vorschlag an akkreditierte Journalistinnen und Journalisten im Bundeshaus, sowie an jene, die sich jeweils per Telefon zu den Konferenen zuschalten. Wie wäre es mit folgenden Fragen an den Bundesrat?
- Bräuchte es nicht jetzt sofort einen kurzen temporären Shutdown, um eine weitere Zunahme der Infektionszahlen zu verhindern?
- Könnte mit einem kurzen temporären Shutdown nicht Weihnachten gerettet werden? Wenn wir jetzt alles einige Tage herunterfahren würden, würden auch die Infektionszahlen wieder zurückgehen und sich die Situation gegen Weihnachten nicht noch weiter zuspitzen?
- Ohne Shutdown: Muss Weihnachten dieses Jahr abgesagt werden? Wird es überhaupt möglich sein, dieses Jahr mit der Familie – vorallem mit den Grosseltern – gemeinsam zu feiern? Was ist, wenn das Gesundheitssystem und die Spitäler gegen Weihnachten an ihre Kapazitätsgrenzen stossen oder diese überschreiten?
- Clubs, Bars und Restaurants können unter den aktuellen Bedingungen fast nicht überleben. Was passiert mit diesen Betrieben? Gibt es finanzielle Unterstützung für die Kultur?
- Menschen im Gastro- und Kulturbereich sind oft unterbezahlt oder leben in prekären Verhältnissen. Was wird der Bund für diese Menschen tun in den kommenden Monaten und über die Krise hinaus? Wie kann solchen Menschen und Branchen finanziell geholfen werden? Wäre es nicht an der Zeit, diese Branchen (gesellschaftlich) generell aufzuwerten? Oder müssen sich Gastro- und Kulturschaffende, so wie das Gesundheitspersonal im Frühling, lediglich mit einem warmen Applaus zufrieden geben?
- Muss wegen Corona die Silvesterparty dieses Jahr abgesagt werden? Sollen wir einfach noch ein weiteres Jahr im 2020 bleiben und nochmals eine Runde drehen?
Auch wenn nicht alle Fragen ganz ernst gemeint sind, so zeigen sie doch, dass es tausend wichtigere Fragen gibt, als jene die Journalistinnen und Journalisten in diesen Tagen teilweise stellen. Die obige Liste ist noch ausbahfähig.