Der Golfstrom in den Ozeanen war noch nie so schwach in den vergangenen 1600 Jahren wie in den vergangenen Jahrzehnten. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forscherteam aus Irland, Großbritannien und Deutschland. Seit dem 20. Jahrhundert ist die Abschwächung des Golfstroms beispiellos und wahrscheinlich die Folge der Klimaerwärmung.
Die atlantische meridionale Umwälzzirkulation (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC) – bekannt Golfstromsystem – funktioniert wie ein riesiges Förderband, das warmes Oberflächenwasser vom Äquator nach Norden transportiert und kaltes, salzarmes Tiefenwasser zurück in den Süden schickt. War der Strom seit rund 1600 Jahren stabil, schwächte er um etwa um das Jahr 1850 erstmals ab. Eine zweiten zweiten, «drastischen Rückgang», stellten die Wissenschaftler:innen ab der Mitte des 20. Jahrhunderts fest.
Der Golfstrom (AMOC) ist unter anderem dafür zuständig, warmes und mildes Wetter nach Europa zu bringen. Dieses System bewegt fast 20 Millionen Kubikmeter Wasser pro Sekunde, etwa das Hundertfache des Amazonasstroms», erklärt Stefan Rahmstorf, Forscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung PIK und einer der Hauptautoren der Studie, die in Nature Geoscience veröffentlicht wurde.
In früheren Arbeiten stellten Rahmstorf und andere wissenschaftler:innen lediglich eine Verlangsamung der Strömung um etwa 15 Prozent seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts fest. Bereits damals brachten die Wissenschaftler:innen die Verlangsamung des Golfstroms in Verbindung mit der Klimaerwärmung. Einen Beweis für eine langanhaltende Veränderung konnten sie jedoch erst mit der neuesten Arbeit erbringen.
«Wenn wir die globale Erwärmung auch künftig vorantreiben, wird sich der AMOC weiter abschwächen – um 34 bis 45 Prozent bis 2100, gemäss der neuesten Generation von Klimamodellen«, folgert Rahmstorf. „Das könnte uns gefährlich nahe an den Kipppunkt bringen, an dem die Strömung instabil wird.
Verheerend wäre ein völliger Zusammenbruch des Golfstroms. Dieser hötte massivste Auswirkungen auf das Wetter und die Ökosysteme der Erde. «Wir riskieren in diesem Jahrhundert einen Kipppunkt auszulösen», erklärt Rahmstorf. Damit würde der Kreislauf innerhalb des nächsten Jahrhunderts ins Trudeln geraten. Rahmstorf geht nicht davon aus, dass wir den Kipppunkt bereits ausgelöst haben. Sollten die globalen Treibhausgasemissionen allerdings so weitergehen wie bisher, werde es immer wahrscheinlicher, dass dieser Kipppunkt ausgelöst werde. Die Folgen wären so gravierend, dass nur schon eine 10-prozentige Chance auf einen Kipppunkt, ein inakzeptables Risiko sei, so der Klimaforscher.
Der Golfstrom ist vom Jetstream getrennt, der in den letzten Wochen zu den extremen Wetterlagen auf der Nordhalbkugel beigetragen hat, obwohl er wie der Jetstream auch von den steigenden Temperaturen in der Arktis betroffen ist. Normalerweise erzeugen die sehr kalten Temperaturen über der Arktis einen Polarwirbel, der einen stetigen Jetstream von Luftströmungen aufrechterhält, der die kalte Luft an Ort und Stelle hält.
Die höheren Temperaturen über der Arktis haben jedoch zu einem schwachen und wandernden Jetstream geführt, der dazu beigetragen hat, dass sich kaltes Wetter in einigen Fällen viel weiter südlich ausbreiten konnte, während er in anderen Fällen wärmeres Wetter weiter nördlich brachte, was zu den extremen Wetterlagen in Europa und den USA in den letzten Wochen beigetragen hat.
Auch der Golfstrom wird durch das Schmelzen des arktischen Eises beeinflusst, das grosse Mengen an kaltem Wasser südlich von Grönland ablädt und die Strömung der AMOC unterbricht. Die Auswirkungen von Schwankungen des Golfstroms sind über viel längere Zeiträume zu sehen als Schwankungen des Jetstreams. Gleichzeitig bringen sie aber auch mehr extremes Wetter mit sich, wenn sich das Klima erwärmt.