Der Milliardenkonzern Facebook war gestern mehrere Stunden offline und komplett aus dem Internet «gelöscht». Systemstörung, Absturz. Das Blackout zeigte nicht nur, wie schön die Welt auch ohne Facebook sein könnte, sondern auch welche fatalen Folgen das Silicon Valley-Denken der technologischen Überlegenheit haben kann. Vor allem für Menschen in ärmeren Ländern.
Millionen Menschen haben gestern weltweit die facebookfreie Zeit genossen. Ich selber hätte den Ausfall nicht einmal mitbekommen, wären nicht sämtliche Newsportale und Twitter voll gewesen mit Meldungen über den Ausfall. Facebook ist für mich seit geraumer Zeit nicht mehr relevant, eingeloggt habe ich mich das letzte mal vor mehreren Wochen. Und WhatsApp nutze ich auch nur noch für die Kommunikation mit Menschen, die sich nicht zur Nutzung eines anderen Messanger-Anbieters wie Threema oder Signal bewegen lassen.
Der gestrige Tag hat gezeigt: Unternehmerischer Grössenwahn, blinder religiöser Technologieeifer und globaler Machtanspruch sind Facebook heftig um die Ohren geflogen. Die eigene Technologie wurde für Facebook von einer Sekunde zur nächsten unkontrollierbar und führte sogar zu einem Milliardenverlust. Der arme Mark Zuckerberg erlebte seine «dunkelsten Stunden», weil die Facebookaktien parallel zu den Computern abstürzten, war in Medien zu lesen. Ernsthaft?
Wie ist es zum Ausfall gekommen? Ein Netzwerktechniker von Facebook hat am Montag einen Router neu konfiguriert. Dabei hat er einen Fehler gemacht bei jenem Gerät das den Datenverkehr zwischen den Rechenzentren von Facebook koordiniert. Die Kommunikation zwischen diesen Geräten wurde unterbrochen. Anschliessend sind die restlichen Computer im Rechenzentrum wie Dominosteine einer nachdem anderen zusammengeklappt und ausgefallen.
Ironischerweise war Facebook nicht nur völlig aus dem Internet verschwunden, der Absturz hat es den eigenen Mitarbeiter:innen sogar verunmöglicht, das Problem möglichst rasch zu beheben. Durch den Absturz haben sich Facebook-Mitarbeiter:innen ausgeschlossen, weil ihre elektronischen Plastikkarten nicht mehr funktionierten, um die Türen elektronisch zu öffnen. Deshalb hat der Ausfall mehr als sechs Stunden gedauert.
Existenzbedrohender Ausfall in südlichen Ländern
Der Totalabsturz macht einmal mehr bewusst, dass es schlecht ist, «das Internet» einigen wenigen Unternehmen in Kalifornien zu überlassen. Viele Unternehmen – auch in Europa – nutzen Facebook als Geschäftsgrundlage. So ermöglicht die Funktion «Login-mit-Facebook» beispielsweise die Kundenkommunikation, das Anbieten von Waren auf dem Facebook-Marktplatz oder den Kundensupport. Durch den Ausfall wurden zahlreiche Unternehmen also von ihren Kund:innen abgeschnitten. Als Unternehmern ist man also besser beraten, sich nicht von Facebook abhängig zu machen.
Wirklich existenz- und lebensbedrohend war der Ausfall in asiatischen, afrikanischen oder südamerikanischen Ländern. Dort haben Millionen Menschen nur über Facebook überhaupt Zugang zum Internet. Facebook ist für diese Menschen «das Internet». Mit dem sogenannten Free Basics-Angebot rühmt sich Facebook damit, Internetzugang auch in entlegenen Winkeln der Erde zu ermöglichen. Tatsächlich bedeutet Free-Basic aber nichts anderes, als Zugang nur zu Facebook, sowie einigen von Facebook vorgeschlagenen Webseiten.
Es handelt sich also um ein Teilinternet, ein von Facebook kuratiertes Internet. Ein Totalausfall wie gestern hätte für solche Menschen weitreichende Konsequenzen, da sie im Falle eines Erdbebens oder einer anderen Katastrophe nicht mehr miteinander kommunizieren könnten.
Europa muss lernen unabhängig zu werden
Eine Zentralisierung des Internets – in Händen eines Unternehmens wie Facebook – kann also lebensgefährlich sein, von der einseitigen Berichterstattung und den Konsequenzen auf das politische System durch eingeschränkten Internetzugang mal abgesehen. Auch Europa muss dafür sorgen, sich von den Abhängigkeiten des Silicon Valley zu lösen. Der gestrige Ausfall sollte die Augen öffnen, nun auch in Europa endlich eigene Systeme und Netzwerke zu entwerfen, die nicht in den Händen von Facebook und Co liegen.
Es mag Zufall sein, aber ein passender. Einen Tag vor dem Totalausfall berichtet die ehemalige Facebook-Mitarbeiterin Frances Haugen in einem Fernsehinterview über Manipulationsversuche durch Facebook bei Wahlen. Facebook-Chef Mark Zuckerberg gebe nur vor, gegen Wahlbetrug vorzugehen, tatsächlich seien die dafür eingesetzten Ressourcen aber gehen. Ausserdem stelle Facebook finanzielles Wachstum über die Interessen seiner fast 2.5 Milliarden Nutzer:innen.
Aus Sicht von Zuckerberg und Facebook macht die Strategie Sinn. Investoren lassen sich nämlich nur finden, als Facebook Gewinne macht. Eine Einschfränkung gewisser Inhalte würde dem zuwiderlaufen. Mit Nutzerdaten Geld zu verdienen ist der einzige Grund, weshalb Facebook überhaupt existiert. Geldverdienen ist auch das einzige, was Investoren interessiert. Von diesem Geschäftsmodell wird sich Zuckerberg nicht freiwillig abbringen lassen.