Besitz auf Zeit: Warum Familien ihre Häuser nach 20 Jahren verlassen sollten

Der Wunsch vieler Schweizerinnen und Schweizer: Ein Haus im oder möglichst nahe am Grünen. Bild: phb
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Für viele Menschen steht der Wunsch nach einem Einfamilienhaus noch immer an erster Stelle. Vor allem Familien kaufen oder bauen sich ein eigenes Haus, wenn sie Kinder bekommen. Nach etwa 20 Jahren ziehen die Kinder meistens aus und die Eltern bleiben alleine zurück. Wie wäre es, wenn auch die Eltern ausziehen würden, um das Haus der nächsten Familie zu überlassen? Eigenheimbesitz zeitlich begrenzt auf eine Generation. Ein Modell für die Zukunft?

In der Schweiz stehen rund eine Million Einfamilienhäuser in der Landschaft herum. Viele davon wurden und werden meist noch immer auf der grünen Wiese gebaut. Wer eine Familie gründet, will seine Kinder schliesslich in der «grünen Idylle» aufwachsen lassen, fernab von der stinkenden Grossstadt. So weit die idealisierte Vorstellung und der weit verbreitete Wunsch nach einem Eigenheim.

Auch Banken nutzen diesen Wunsch nach der grünen Idylle ihrer Kunden und bewerben die Eigenheimfinanzierung oft mit Bildern einer glücklichen Familie, die Hand in Hand zu ihrem neuen Haus auf der grünen Wiese spaziert

Ein Haus im Grünen zu bauen, ist allerdings nicht nur egoistisch, sondern auch alles andere als nachhaltig. Eogoistisch, weil man ein Stück Land für sich alleine in Anspruch nimmt. Nicht nachhaltig, weil es immer weniger Grünflächen git, die man überhaupt noch bebauen kann/sollte.

Und: was ist mit den Familien in 50 oder 100 Jahren? Sollen sie auch noch das Recht und die Möglichkeit haben, im Grünen ein Haus zu bauen? Oder ist das lediglich ein Privileg der Menschen der Gegenwart? Die philosophische Frage stelt sich, haben wir Menschen überhaupt das Recht, ein Stück Land zu besitzen? Gehört die Erde nicht allen Menschen?

Auch junge Menschen wollen ins Grüne ziehen. Acht von zehn der 16- bis 25-Jährigen in der Schweiz träumen vom eigenen Haus. Foto: phb

Familien die sich ein eigenes Haus bauen – «Wir bauen ein Häuschen im Grünen» – tun dies in der Regel, wenn ihre Kinder noch sehr klein oder eben erst auf die Welt kommen sind. Nach etwa 20 Jahren ziehen die Kinder in der Regel von zuhause aus in eigene Wohnungen. Es ist die Zeit der Unabhängigkeit und Lösung von den Eltern. Die Eltern wiederum bleiben of in den Häusern zurück. So wird beispielsweise aus einem fünfköpfigen Haushalt (Familie mit drei Kindern) plötzlich ein Zweipersonen-Haushalt. Die ehemaligen Kinderzimmer bleiben leer und ungenutzt.

Vorschlag: Warum sollen die Eltern nicht ebenfalls ausziehen? Warum müssen zwei Personen in einem Haus leben, das eigentlich für vier, fünf oder noch mehr Personen gebaut wurde?

Die Nutzungsdauer eines Einfamilienhauses beträgt etwa 60 bis 100 Jahre. Wenn eine Familie mit kleinen Kindern ein Haus baut und die Kinder nach etwa 20 Jahren ausziehen, sind die ersten 20 Jahre der Nutzung vorbei.

Wenn die Eltern nun ebenfalls ausziehen würden, könnte die nächste Familie nachrücken und das Gebäude für weitere 20 Jahre nutzen. Nach diesen 20 Jahren rückt wieder eine andere Familie mit Kleinkindern nach und erhält das Nutzungsrecht für weitere 20 Jahre. Und so weiter. Bei einer Nutzungsdauer von 100 Jahren könnten etwa fünf Familien im selben Gebäude leben.

Der Besitz von Eigenheim – in unserem Fall von Einfamilienhäusern – müsste also zeitlich begrenzt werden. Es würden dann für alle Menschen die gleichen Regeln gelten. Eigenheimbesitzer schreien jetzt wahrscheinlich: Stopp, das ist Enteignung! Ja, vielleicht. Man könnte es aber auch Besitz auf Zeit nennen.

Natürlich ist es kein leichtes Vorhaben, bereits bestehende Besitzer zu einem solchen neuen Eigentums-Modell zu bewegen. In einem ersten Schritt müsste ein solches Modell auf freiwilliger Basis eingeführt werden. Oder auch Anreize geschaffen werden. Wer sein Haus nach 20 Jahren weitergibt, bekommt beispielsweise eine Steuererleichterung oder eine andere Art von Subventionierung für den Umzug in eine Mietwohnung oder für den Erwerb einer kleineren Eigentumswohnung.

Eine weitere grüne Wiese wird überbaut: Visiere markieren den baldigen Baugebinn. Foto: phb

Zu Beginn müsste das Modell wahrscheinlich vor allem auf Neubauten angewendet werden. Wer 2020 ein Einfamilienhaus baut, verpflichtet sich, nach 20/25 Jahren wieder auszuziehen und das Gebäude weiterzugeben.

Mit einer solchen Massnahme müssten ziemlich sicher bedeutend weniger neue Häuser gebaut werden. Der Besitz eines Eigenheims auf Zeit hätte auch positive Auswirkungen auf den Fortbestand und den Erhalt der Biodiversität. Urbanisierung und Zersiedelung – gerade durch Häuser im Grünen – sind einer der Haupttreiber für den Verlust von Biodiversität.

Besitz auf Zeit hätte auch eine soziale und gesellschaftliche Komponente. In der viel beschworenen «Sharing-Economy» macht Besitz nur noch wenig Sinn. Weshalb sollen sich Leute ein neues Haus bauen, wenn es schon Hunderttausende Häuser gibt?

Interessant ist der Ansatz auch hinsichtlich der persönlichen Entwicklung und Gestaltung des Lebensentwurfs. Für die Kinder genauso wie für die Eltern. Die Kinder stürzen sich mit etwa 20 ins Abenteuer des Erwachsenenlebens und die Eltern – dann etwa im Alter zwischen 50 und 60 Jahren – könnten sich ebenfalls in ein neues Abenteuer stürzen und ihrem Leben einen neuen Schub verleihen.

Eigenheimbesitz auf Zeit würde also auch die Lebensentwürfe der Menschen des 21. Jahrhunderts den Realitäten anpassen.

Ein Gedanke zu „Besitz auf Zeit: Warum Familien ihre Häuser nach 20 Jahren verlassen sollten“

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