Solarstrom ist in aller Munde. Ganz anders dagegen Strom aus Biogas. Eine Technologie, die ebenfalls Potenzial hat. Vor allem für Bauern könnte die Gewinnung von Strom durch Vergärung von Tiermist interessant sein. Gerade in der Politik scheint Biogas als Strom noch nicht angekommen zu sein, wie unser Gastautor Marcel Höhener schreibt.
Die Gewinnung von Strom durch Solaranlagen scheint sich immer mehr durchzusetzen. Land auf Land ab sieht man immer mehr Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern. Solarenergie gilt als umweltfreundlich und ressourcenschonend. Buchstäblich etwas im Schatten von Solaranlagen liegt jedoch eine andere, ebenfalls vielversprechende Form der Energieerzeugung. Nämlich die Biogasanlagen.
Gerade für Landwirtschaftsbetriebe könnte die Installation einer Biogasanlage wirtschaftlich und ökologisch Vorteile bringen. Strom «vom Bauer» ist naheliegend, da er mittels Vergärung von Tiermist oder auch anderen organischen Abfällen oder Speiseresten hergestellt wird. Es sind also organische landwirtschaftliche Abfall- und Nebenprodukte, die relativ einfach und günstig in Strom umgewandelt werden können. Wie der Prozess genau funktioniert, ist im ersten Teil über Biogasanlagen nachzulesen.
Obwohl Stromerzeugung durch Biogas lukrativ und ökologisch sinnvoll wäre, hat es die Technologie noch immer nicht aus dem Schatten der Solarenergie hervor geschafft. Auch die Politik scheint gerade den Zug zu Biogas zu verpassen. In der Energiestrategie 2050 des Bundes wird Biogas sehr stiefmütterlich behandelt. Warum eigentlich nicht?
Ich fragte bei der verantwortlichen Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) nach, warum die Politik Biogas nicht mehr ins Zentrum von Umwelt- und Energiestrategien stellt? In dieser Kommission sitzt der Waadtländer SP-Nationalrat Roger Nordmann. Er sieht vor allem einen Grund, weshalb Photovoltaik gegenüber Biogas im Vorteil ist. Anders als bei Photovoltaik werde bei der Biogastechnologie die im Sommer anfallende überschüssige Wärme nicht gespeichert oder es müssten dafür mindestens riesige Gastanks installiert werden.
Im Gespräch entgegne ich ihm, dass durch Zwischenlagerung der Substrate wie beispielsweise Laub- oder Kompostabfälle, der Betrieb über den Sommer reduziert und damit auch mehr Strom und Wärme in kälteren Monaten erzeugt werden könnte. Ausserdem können Photovoltaikanlagen nur bei Sonnenschein Strom produzieren. Dieser Strom wiederum kann nur in Batterien gespeichert werden.
Auf diesen Einwand hat Nordmann entgegnet, dass Photovoltaikanlagen im Gegensatz zu Biogasanlagen technologisch weiterentwickelt, marktreif und rentabel seien. Es scheint so, als ob beim UREK die Biogastechnologie unberechtigterweise etwas aussen vor steht. Es ist also nicht verwunderlich, dass Biogasanlagen auch im Bundesrat bisher noch nicht als Möglichkeit der Energieerzeugung erkannt wurde.
Diese Meinung teilt auch Stefan Mutzner, Geschäftsleiter von von Ökostrom Schweiz. Er ist einer der wenigen Biogasexperten in der Schweiz und ein ausgewiesener Kenner dieser Technologie. Im Gegensatz zu Nordmann glaubt Mutzner sehr wohl, dass die Biogastechnologie ausgereift sei und einen hohen Standard erfülle.
«Das aus Hofdünger produzierte Biogas kann als Brenn – oder Treibstoff oder auch für die Stromproduktion verwendet werden kann», erklärt Mutzner. Biogasanlagen lieferten wetterunabhängig einen Beitrag zur «Schliessung» der Winterstromlücke, ist er überzeugt.
Doch: Wie rentabel sind Biogasanlagen und wie sieht es mit der «grauen Energie» aus, jener Energie also, die beispielsweise beim Bau oder dem Betrieb einer Anlage anfällt? Ein wichtiger Faktor spielt dabei die sogenannte «energetische Amortisationszeit». Mit anderen Worten: Wie lange muss eine Biogasanlage in Betrieb sein, bis sich deren «graue Energie» amortisiert hat?
Graue Energie ist per Definition, die nicht erneuerbare Energie, die zur Herstellung einer Maschine oder einer Technischen Anlage aufgewendet wird. Verschiedene wissenschaftliche Arbeiten weisen daraufhin, dass sich diese Amortisationszeit bei Biogasanlagen auf unter einem Monat beläuft, bei Photovoltaik dagegen können es schon mal bis zu 20 Monaten sein.
Zum Vergleich: Die Produktion und Herstellung eines Mittelklassewagens, beispielsweise eines VW Golfs, verbraucht etwa gleich viel Energie, als ob man mit dem Auto zehn Jahre auf den Strassen herumfährt. Anders gesagt: Ein Auto das weniger akten Jahre auf den Strassen unterwegs ist, hat sich eigentlich nicht gelohnt herzustellen, weil die Produktion mehr Energie verbraucht hat als die Lebensdauer des Fahrzeugs. Bei Biogasanlagen beträgt diese Zeitspanne lediglich einen Monat. Ein Grund mehr, weshalb Biogasanlagen eigentlich förderungswürdig wären.
Biogasanlagen lohnen sich für landwirtschaftliche Betriebe aber auch finanziell. Eine durchschnittliche Anlage bringt einem landwirtschaftlichen betrieb etwa einen Jahresumsatz von 300.000 Franken. Weil der Betrieb aufwändig ist, könnten damit auch Arbeitsstellen geschaffen werden. Gemäss Schätzungen könnten in der Schweiz durch Biogasanlagen etwa 3.000 neue Arbeitsstellen geschaffen werden.
«Biologischer» Strom vom Bauer hätte also durchaus Potenzial als zukünftige Energiequelle und könnte gemäss verschiedenen Berechnungen mindestens zehn Prozent des Schweizer Strommixes ausmachen. Derzeit befindet sich das Energiegesetz des Bundes in einer Totalrevision. Es bestehen also durchaus Chancen, dass Biogas in Zukunft einen höheren Stellenwert haben wird als heute.
Was ist eine Biogasanlage? Landwirtschaftliche Biogasanlagen, vergären in einem anaeroben Prozess Tierexkremente und anfallende organische Abfälle, wie Grasschnittabfälle, Grüngut, Laub, Speiseabfälle, Foodindustrieabfälle etc., mittels Bakterien u.a. zu Methangas. Die Energie, die im Methangas steckt, wird in einem Blockheizkraftwerk für den Menschen zu nutzbaren elektrischen Strom und Heizenergie umgewandelt. Biogasanlagen sind dann 100% umweltfreundlich, wenn dafür ausschliesslich organische Abfälle und nicht auch noch essbare Lebensmittel mit vergärt werden. Zudem tragen sie zum Klimaschutz bei mit der Reduktion von Treibhausgasemissionen.
Gastautor:

Elektroingenieur Marcel Höhener ist Dozent für erneuerbare Energien an der HF Juventus. Er hält an der ZHAW für Umweltwissenschaften Wädenswil Vorlesungen über Stromerzeugung im Kleinen, insbesondere Kleinstwasserkraftwerke. Selber führt er ein Ingenieurbüro für Beratung in Energiefragen und plant und projektiert Kleinstwasserkraftwerke. quellfrosch.ch