Bald 6.000 Coronatote in der Schweiz – dennoch: «Keine Panik auf der Titanic»

Während die Menschen auf den unteren Decks sterben, soll in der ersten Klasse der Titanic bis 19 Uhr gefeiert werden können. Foto: wikimedia
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Der Schweizer Bundesrat hat heute nationale Coronamassnahmen bekanntgegeben, die ab Samstag gelten sollen. Damit ist der Bundesrat mindestens vier Wochen zu spät. Hätte er früher gehandelt, wären womöglich weniger Menschen gestorben. Die Situation zeigt, dass der Bundesrat den Ernst der Lage nicht erkannt hat und offensichtlich überfordert ist. Die Lage läuft zusehends aus dem Ruder, während Bundesrat Berset in einem Buch bereits auf die Krise zurückblickt.

Es ist ein echtes Delay: Eine Verzögerung des Signals, so als ob der Bundesrat auf einem um Lichtjahre entfernten Planeten seine Entscheidungen trifft und die «News» dann mit der distanzbedingten Verzögerung erst einmal Richtung Erde und Schweiz senden muss.

Heute hat der Bundesrat ein Signal gesendet, dass er eigentlich schon Mitte November hätte senden müssen. Nämlich die Nachricht, dass wieder er entscheiden möchte und nicht die Kantone. In einer Krise wie wir sie derzeit erleben, ist es verheerend nur aus demokratiepolitischen Überlegungen auf dem Föderalismus zu beharren. In einem so kleinen Land wie der Schweiz macht es keinen Sinn, mehr als zwei Dutzend unterschiedliche Regelungen zu haben. Und wenn nicht der Bundesrat zentral entscheiden soll, dann müssten sich wenigstens die Kantonsregierungen auf ein gemeinsames Vorgehen einigen.

Das haben sie aber nicht, weil jeder einzelne Kanton sich mit seinen eigenen Regeln brüstet und einen kleinen «Sonderfall» im «Sonderfall Schweiz» fahren möchte. Im Ausland wird seit längerem über die Schweiz gelacht oder vielmehr verständnislos den Kopf geschüttelt. Es ist so wie auf der Titanic. Der Bundesrat ruft, «keine Panik auf der Titanic». Die Kantone sollen selber entscheiden, ob und wann sie die verschiedenen Bordrestaurants schliessen wollen. Am besten gar nicht schliessen, weil dann die Einnahmen wegbrechen, weil schlecht für die Wirtschaft und die Investoren der Titanic.

Immerhin hat sich der Bundesrat heute wieder etwas stärker in die Rolle des Kapitäns begeben. Ab Samstag, 12. Dezember, sollen Gastrobetriebe, Einkaufsläden und Sportaktivitäten landesweit bereits um 19 Uhr schliessen müssen. 19 Uhr ist eigentlich eine völlig willkürliche Uhrzeit, so als ob das Virus vor 19 Uhr ungefährlich wäre und erst gegen Nacht zuschlägt. Oder so, also ob die Restaurants in den oberen Decks der Titanic noch etwas länger offen haben können, weil das Wasser die zweite und dritte Etage nich nicht erreicht hat.

Anstatt sich über den Sommer und Herbst ein griffiges Corona-Konzept zu überlegen, hat Bundesrat Alain Berset auf dem oberen Deck des Schiffs Felix E. Müller lieber seelenruhig Interviews gegeben und diese nun in Buchform unter dem Titel, «wie ich die Krise erlebe» veröffentlicht. Das Buch soll ein «Rückblick» sein auf die Krise? Nur: die Krise ist noch lange nicht vorbei und sie wird noch lange andauern, wenn nicht endlich enschieden gehandelt wird. Von einem Rückblick kann mitten in einer Krise also keine Rede sein.

Die einzige Lösung wäre jetzt, alles zu schliessen und sofort alle Rettungsboote klar zu machen. Rettungsboote auch im Sinne von finanzieller Hilfe für Gastro- und andere Ladenbetreiber, Arbeitslose sowie Menschen die bereits heute an ihrem Existenzminimum leben müssen.

Als Bundesrätin Simonetta Sommaruga im Frühling gesagt hatte: «Wir stehen die Krise gemeinsam durch», wen hat sie damit gemeint? Bar-, Club- und Restaurantbetreiber, die Geringverdienenden, Pflegepersonal, Coiffeure? Oder einfach nur «die Wirtschaft», also Unternehmer und Aktionäre?

Wirkliche Solidarität und ein Miteinander könnten dieses Jahr an Weihnachten tatsächlich Realität werden, wenn der Bundesrat endlich Verantwortung übernehmen würde. Also, alles schliessen und Geschädigte entschädigen und endlich einmal über ein tragfähiges Zukunftsmodell der Gesellschaft nachdenken.

Aber dieses Signal scheint beim Bundesrat noch nicht angekommen zu sein. Vielleicht ist es ebenfalls eine Verzögerung oder sogar ein Defekt beim Empfangsgerät auf der Kommandobrücke der Titanic. Das sinkende Schiff, das irgendwo auf einem fernen Planeten gegen einen Eisberg voller Coronaviren zusteuert.

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