Schnee in Spanien, Minus 39 Grad in den USA und zugefrorene Kanäle in den Niederlanden auf denen Schlittschuh gelaufen wird. Schnee und Eis ohne Ende. Bei der Frage, welche Rolle die Klimaerhitzung in der aktuellen Kälteperiode spielt, gehen die Meinungen bei Klimawissenschaftler:innen teilweise heftig auseinander. Ist es einfach ein Wetterphänomen, oder ist die globale Erhitzung dafür veratnwortlich?
Für Klimaleugner:innen scheint der Fall klar. In den USA und im Norden Europas ist es derzeit extrem kalt und es schneit, also gibt es den Klimawandel nicht. Punkt. Weil, wenn es auf der Erde angeblich immer wärmer wird, warum ist es dann jetzt kalt, wundert sich diese Szene einstimmig. So einfach ist es aber nicht. Die Realität ist etwas komplexer.
Die Ursachen für die aktuelle Kaltfront liegen in der Arktis und dem instabilen Polarwirbel, dem sogenannten Polar Vortex. Das ist ein riesiges Tiefdruckgebiet, das sich alljährlich in der Nordpolarregion bildet und dann in der Stratosphäre zirkuliert. Das Tiefdruckgebiet zirkuliert im Gegenuhrzeigersinn und beeinflusst das Wetter in der darunterliegenden Atmosphärenschicht.
Normalerweise hält der Polarwirbel die arktisch frostige Luft im Norden fest. Dieses Jahr ist der Polarwirbel aber bereits im Januar zusammengebrochen. In der Folge strömte extrem kalte Luft in den Süden.
Tatsache ist, dass aufgrund der globalen Klimaerhitzung die Polkappen seit Jahren abschmelzen. Und zwar immer schneller. Alleine Grönland hat 2019 unglaubliche 532 Milliarden Tonnen an Eis verloren. Gleichzeitig steigt die Temperatur am Nord- und Südpol stärker an als in Regionen in mittleren Breiten. Soweit ist sich die Wissenschaft einig.
Allerdings haben Wissenschaftler:innen unterschiedliche Meinungen darüber, ob das derzeitige extreme Wetter in den USA und dem Norden Europas eine direkte Folge der globalen Klimaerhitzung ist und vor allem, ob sich so kalte Winter in Zukunft häufen werden.
Eine seit Jahren verbreitete Theorie geht deshalb davon aus, dass die warmen Polkappen den Jetstream beeinflussen könnten und dieser in der Folge vermehrt kalte Luft in den Süden bläst.
Einer der Befürworter dieser sogenannten Karasee-Theorie ist der bekannte deutsche Klimaforscher Stefan Rahmstorf, Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in Berlin. Er sieht einen klaren Zusammenhang zwischen der aktuellen Kaltfront in den USA und Europa und der globalen Klimaerhitzung. Dies will er auch mehrfach mit Studien belegt haben. So geht er davon aus, dass in der Tendenz die Winter zwar wörmer werden, es aber dafür häufiger zu extrem kalten Wintermonaten kommt, wie wir sie – und vor allem die USA – aktuell erleben.
Eine etwas andere Haltung haben die beiden britischen Klimaforscher James Screen und Tim Woolings. Sie widersprechen dieser Theorie oder betrachten sie zumindest als reine Spekulation. Sie sehen das aktuelle Wetter nicht als Folge der Klimaerwärmung. Auch der IPCC – die globale Klimainstanz schlechthin – geht ebenfalls nicht davon aus, dass die derzeitige extreme Kälte die Folge des Klimawandels ist, sondern es sich um ein gewöhnliches Wetterphänomen handelt.
Auch der Schweizer ETH-Klimaforscher Reto Knutti sieht derzeit keinen Zusammenhang zwischen der Klimaerwärmung und dem aktuellen extrem kalten Wetter. Die bisherigen Daten der vergangenen Jahrzehnte würden diesen Trend nicht bestätigen. «Wir stellen in unseren Arbeiten fest, dass der Klimawandel die Häufigkeit oder Dauer von Wetterlagen nicht klar beeinflusst», schreibt er.
Knutti geht gemäss seinen Berechnungen der ETH Zürich davon aus, dass die Winter – bei uns in Europa – in Zukunft immer wärmer werden, auch wenn es kurzfristig zu extrem kalten Winter kommen kann. «An dieser Tatsache ändert auch die aktuelle Kälteperiode nichts.» Das heisst, auch in Europa werden extrem kalte Winter immer seltener.
Das aktuell kalte Wetter fühlt sich also vor allem deshalb ausserordentlich an, weil es immer seltener zu solchen Schwankungen nach unten kommt.
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