Studie: Insekten an Land leiden, solche im Wasser erholen sich

Ein Weiher ist Lebensraum von Millionen Insekten. Im Süsswasser lebende Insekten haben sich etwas erholt, an Land lebende gehen jährlich um 0.92 Prozent zurück. Bild: phb
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Das Insektensterben schreitet voran. Jährlich gehen Insekten-Populationen um fast ein Prozent zurück. Das zeigt die bisher umfassendste Studie. Die Autoren bestätigen auch das sogenannte Windschutzscheiben-Phänomen. Allerdings zeigt die Untersuchung auch positive Entwicklungen. Im Wasser lebende Insekten haben sich demnach sogar etwas erholt.– Philipp Bürkler

Insekten gehören zu den am häufigsten vorkommenden Tieren auf der Erde. Ihre Biomasse ist etwa 17 Mal grösser als die der gesamten Menschheit. Insekten erfüllen wichtige Funktionen im Ökosystem des Planeten.

Verschiedene Studien der vergangenen Jahre haben vermehrt darauf hingewiesen, das die enorme Vielfalt der Insekten stark bedroht ist. 2014 schätzte ein internationales Team von Biologen, dass die Abundanz wirbelloser Tiere wie Käfer und Bienen in den vergangenen 35 Jahren um 45 Prozent abgenommen hat. 2017 stellten Forscher in einer alarmierenden Studie sogar einen Rückgang der fliegenden Insekten in den deutschen Naturschutzgebieten um ganze 76 Prozent während der vergangenen 27 Jahre fest.

Nun hat erneut ein internationales Forscherteam eine Sudie veröffentlicht. Diese ist nicht weniger dramatisch. Dabei wurden erstmals Daten aus 166 Langzeiterhebungen, die weltweit an 1’676 Standorten zwischen 1925 und 2018 erhoben wurden, zusammengeführt.

Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Populationen der ausschliesslich an Land lebenden Insekten wie Schmetterlinge, Ameisen oder Heuschrecken, in Europa jährlich um 0.92 Prozent abgenommen haben. «0.92 Prozent klingt vielleicht nicht nach viel, aber in Wirklichkeit bedeutet dies 24 Prozent weniger Insekten in 30 Jahren und 50 Prozent weniger in 75 Jahren», sagt Studienautor Roel van Klink, Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Universität Leipzig.

Insektensterben ist ein langer und ruhiger Prozess

«Insektenrückgänge geschehen auf eine ruhige Art und Weise, und wir nehmen von einem Jahr zum nächsten keine Notiz davon», erklärt van Klink. Der Rückgang sei langsam und schleichend und mit baulichen oder architektonischen Veränderungen einer Stadt oder eines Dorfes vergleichbar. Wer jahrelang in der selben Stadt lebt, nimmt die baulichen Veränderungen – wie neue Häuser oder andere Zufahrtswege – anders oder weniger wahr, als jemand der nach Jahren in eine Stadt oder in sein Heimatdorf zurückkehrt.

Der Verlust an Insekten hat mehrere Gründe. Einerseits ist der generelle Rückgang der Biodiversität schuld, weil der Mensch immer mehr in Ökosysteme eingreift und sie verändert. Ein weiterer Grund ist die zunehmende Lichtverschmutzung. Bereits 2018 kam eine Studie zu dem Schluss, dass «Light Pollution» eine der Hauptursachen für den Rückgang von Insekten ist. Ein dritter Grund für das zunehmende Verschwinden von Insekten ist der weit verbreitete Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft.

«Windshield»-Phänomen gibt es tatsächlich

In der neusten Studie wird auch das subjektive Empfinden vieler Menschen über den Rückgang von Insekten bestätigt. Beim sogenannten «Windshield Phenomenon» – also dem Windschutzscheiben-Phänomen – geht es um die Fesstellung vieler Menschen, dass heute weniger Insekten an Winschutzscheiben ihrer Autos gequetscht werden als noch vor zwei oder drei Jahrzehnten.

Die Autoren bestätigen diese Beobachtung, zumindest im Durchschnitt. Die meisten Insektenarten können fliegen und werden deshalb besonders oft an die Frontscheiben von Autos gedrückt. «Unsere Analyse zeigt, dass fliegende Insekten im Durchschnitt tatsächlich abgenommen haben. Die meisten Insekten sind jedoch weniger auffällig und leben ausser Sichtweite, beispielsweise im Boden, in Baumkronen oder im Wasser», sagt Co-Autor Jonathan Chase, Professor am iDiv und an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Rückgang ist dramatisch und «apokalyptisch»

Mit einem Rückgang von neun Prozent pro Jahrzehnt fällt die Studie zwar etwas positiver aus als vergangene Untersuchungen, der Trend werde aber bestätigt, so die Autoren.

Obwohl das Thema Inseknensterben bekannt sei, werde es weiterhin unterschätzt. Global hochgerechnet, sei der Rückgang sogar «ein apokalyptisches Bild für die Insekten der Erde», so die Forscher.

Immerhin gibt es auch eine positive Entwicklung. Die komplexe Analyse offenbarte grosse Unterschiede, selbst zwischen nahe gelegenen Orten. In Ländern mit vielen Langzeitstudien wie Deutschland, Grossbritannien oder den USA gibt es demnach nicht nur Orte mit Rückgängen, sondern solche mit geringen Rückgängen oder sogar Zunahmen.

Grössere Biodiversität für den Erhalt von Insekten

Vorallem im Süsswasser lebende Insekten wie Libellen und Köcherfliegen haben teilweise um 1,08 % pro Jahr zugenommen. Die Forscher führen dies auf verschärfte Wasserschutzmassnahmen zurück.

Um das Insektensterben aufzuhalten, braucht es dringend Massnahmen, die Biodiversität zu erhalten beziehungsweise wieder zu erhöhen. In urbanen Gegenden bedeutet das, möglichst viele Grünflächen mit Bäumen und anderen Pflanzen.

In den vergangenen Jahren macht sich auch ein positiver Trend sichtbar, wonach immer mehr Menschen ausserhalb der wissenschaftlichen Biologie sogenannte Insektenhotels in ihren Gärten bewirtschaften. Diese schützen die Tiere, geben ihnen Überwinterungshilfen oder einen Nistplatz.

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