Physical Distancing: Platz für Velofahrer und Fussgänger durch autofreie Zonen?

Physische Distanz für Velofahrer und Fussgänger, dafür weniger Raum für Autofahrer. Wäre das ein möglicher Ansatz in Zeiten des Lockdowns? Foto: phb
Warning: Trying to access array offset on value of type null in /home/httpd/vhosts/rocketexpress.org/resetter.org/wp-content/plugins/top-10/includes/class-counter.php on line 54

Für die Bewältigung der Coronakrise sind innovative Ideen und ein Umdenken hin zu mehr Klimaschutz und einer Verbesserung der Lebensqualität für alle Menschen notwendig. Warum nicht Innenstädte während des Lockdowns vom Autoverkehr befreien, um mehr physische Distanz zwischen Fussgängern oder Velofahrern zu schaffen? – Von Philipp Bürkler

Die Coronakrise ist eine globale Gesundheitskrise. Sie macht uns wieder bewusst, welche Bedeutung die Gesundheit der Menschen hat. Auch die folgende Klimakrise ist eine Gesundheitskrise. Menschen in Grossstädten sterben häufiger an den Folgen der schlechten Luftqualität druch Abgase. Die Gesundheit der Menschen in südlichen Ländern ist durch häufigere und stärkere Hitzewellen und vermehrte Dürreperioden bedroht, die auch ihre Ernährungssicherheit in Frage stellen. Verständlicherweise fliehen die Menschen in südlichen Ländern vermehrt nicht mehr nur wegen kriegerischen Auseinandersetzungen, korrupten Regierungen und wirtschaftlich prekären Verhältnissen aus ihren Ländern in den Norden, sondern zunehemend auch wegen den Auswirkunden der Klimaerwärmung.

Die Gesundheit des Planeten ist deshalb im Interesse aller Menschen. Ein gesunder Planet ist die Lebensgrundlage für alle. Im Süden wie im Norden.

Jährlich 500 Milliarden Dollar für fossile Energieträger

Wie Politik und Regierungen mit der Coronakrise umgehen, ist deshalb entscheidend, ob es zur Klimakatastrophe kommt, oder ob sie noch abgefedert oder wenigstens gemildert werden kann. Klimapolitik und Gesundheitspolitik müssen zwingend zusammen gedacht und Konjunkturmassnahmen an umweltpolitische Bedingungen geknüpft werden. Nur weil Flüsse wegen der coronabedingten Zwangspause der Wirtschaft sauberer werden und sich die Luft über den Grossstädten temporär verbessert, ist die Klimakatastrophe nicht abgewendet. Ein Rebound-Effekt des CO2-Ausstosses ist die Folge, sobald die Wirtschaft wieder in Gang kommt. Die Chance, dies zu verhindern, wurde bereits nach der Finanzkrise von 2008 verpasst. Nochmals sollte das nicht passieren.

Nach wie vor fliessen beispielsweise jährlich rund 500 Milliarden Dollar in die Subventionierung fossiler Brennstoffe. Der CO2-Ausstoss wird mit Unsummen gefördert, weil der Wille für umweltverträglichere Energien sowie einer sozialeren Ökonomie fehlt. Anstatt Milliarden in einen Energieträger zu investieren, der die Gesundheit des Planeten und der Menschen aufs Spiel setzt, sollten solche hohe Beträge besser in umweltschonendere Technologien wie Solarenergie oder Elektromobilität investiert werden. Oder in die seit Jahren kaputtgesparten Gesundheitssysteme. Immerhin denkt die Internationale Energieagentur (IEA) jetzt in diese Richtung. Die IEA möchte die Subventionen in fossile Brennstoffe kürzen oder sogar streichen und das Geld der Gesundheitsversorgung zukommen lassen.

Strassen frei für Fussgänger und Velofahrer

Solange Ideen Ideen bleiben, ändert sich aber nichts. Die Ideen müssen jetzt möglichst rasch von den Regierungen und der EU umgesetzt und die Umverteilung der Milliardenbeträge in soziale und ökologische Projekte an die Hand genommen werden. Sofortige Massnahmen braucht es aber auch, um die Lebensqualität der Menschen zu verbessern.

Kurzfristig sollte es den Menschen ermöglicht werden, regelmässig an die Sonne und ins Freie zu gehen, ohne anderen Menschen in den Strassen räumlich zu nahe zu kommen. Eine Möglichkeit, die Menschen etwas aus ihrer häuslichen Isolation zu befreien, wäre beispielsweise, Strassen oder Zonen in Innenstädten für Autos ganz oder grösstenteils zu sperren und für Velofahrer und Fussgänger zu öffnen.

Dürften die Menschen in Innenstädten beispielsweise die Fahrbahnen als Fussgängerzone benutzen, gäbe es mehr Platz und es wäre einfacher, physische Distanz zu anderen Fussgängern zu wahren. Ausserdem würden sich – optimistisch gedacht – die Menschen vielleicht an autofreie Innenstädte gewöhnen und nach dem Ende der Pandemie gar nicht mehr zurück wollen in die Zeit, als das Auto den öffentlichen Raum dominierte.

Lockdown könnte noch lange andauern

Der Lockdown und das Leben in Isolation dürften noch für einige Zeit andauern. Danach sieht es zumindest aus, wenn man den Gesundheitsbehörden und Wissenschaftlern zuhört. Die Vorstellung, nach Ostern werde alles wieder so sein, wie bisher, ist eine Illusion die nur Menschen glauben, denen wirtschaftliche Interessen wichtiger sind als die Gesundheit und Menschenleben. Dennoch muss man realistisch sein: Den Lockdown über mehrere Monate aufrecht zu halten – womöglich über den Sommer – dürfte schwierig werden. Gerade jetzt, wo der Frühling kommt, wollen die Menschen verständlicherweise ins Freie, wenigstens ab und zu. Tageslicht ist ja auch gut für Körper und Psyche.

Vielleicht müssen wir in den kommenden Monaten damit leben, dass sich Lockdown und Uplock abwechseln und die Massnahmen regelmässig ent- und dann wieder verschärft werden. Wer weiss?

Kurzfristig ist entscheidend, ob der Lockdown die Zahl der Neuinfizierten auf ein tieferes Niveau bringt und somit Leben gerettet werden können. Mittelfristig muss das Problem des Lockdowns und der Isolation wenigstens teilweise gelöst werden bei gleichzeitiger Wahrung von «Physical Distancing». Die Herausforderung ist es, die politischen Massnahmen gleichzeitig an gesundheits- und umweltpolitische Bedingungen zu knüpfen, damit eine robustere – resiliente – Gesellschaft und mehr Klimaschutz möglich werden.

Die Coronakrise wird die Welt verändern. Sie wird hoffentlich neue und nachhaltigere Lebensstile ermöglichen. Lebensstile, die Mobilität und Konsum reduzieren, die Erfahrung sowie das Erleben der Natur wieder mehr ins Zentrum rücken und mit den endlichen Ressourcen des Planeten vereinbar sind.

Die kommenden Wochen und Monate werden eine schwierige Zeit. Niemand hat eine Lösung, die alle Probleme vom Tisch schmettert. Aber wenn die Sache richtig und zukunftsorientiert angegangen wird, besteht sogar die Chance, dass die Welt nach der Krise besser da teht als zu vor. Sozial und ökologisch.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert