Abstimmung: Es wird Zeit, endlich Verantwortung zu übernehmen

Eine von und 75'000 Fahnen, die derzeit in der Schweiz an Balkonen hängen. Diese breite Mobilisierung macht den Gegnern offensichtlich Angst. Foto: phb
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Die Gegner:innen der Konzernverantwortungsinitative sind offensichtlich nervös? Selbst Bundesräte nutzen derzeit jede noch so unpassende Gelegenheit, um gegen die Vorlage Stimmung zu machen. Kein Wunder, die Chancen für die Initiative stehen gut. Gleichzeizig steht die Initiative für eine Gesellschaft, die künftig bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Es ist genau jene Verantwortung, vor der sich Gegenner:innen gerne drücken möchen.

Eine solch breite basisdemokratische Mobilisierung hat die Schweiz vor einer Abstimmung noch nie erlebt. Schweizweit hängen laut Initiativkomitee derzeit rund 75’000 «Konzernverantwortung Ja!»-Fahnen an Balkonen oder Hausfassaden. Etwa 8’000 Menschen helfen freiwillig in 450 lokalen Gruppen, verteilen Flyer oder verschicken Postkarten an noch unentschlossene Menschen in ihrem Umfeld, um der Vorlage zum Durchbruch zu helfen. 

Die Initiative will Schweizer Unternehmen  zur Einhaltung international anerkannter Menschenrechte und Umweltstandards verpflichten. Konzerne welche Menschenrechte verletzen oder der Umwelt schaden, sollen künftig zur Verantwortung gezogen werden. Gemäss Umfrage des gfs Bern im Auftrag der SRG hätten bei der letzten Befragung im Oktober 63 Prozent der Stimmberechtigten der Vorlage zugestimmt. Das Vorhaben hat also gute Chancen, angenommen zu werden.

Die Chancen stehen sogar so gut, dass sich beim Gegenkomitee sichtlich Angst, ja vielleicht sogar Panik ausgebreitet hat. Bundesrat Ueli Maurer schläft in diesen Tagen offenbar nicht so gut. Nur so ist es zu erklären, weshalb der Finanzminister derzeit keine Gelegenheit auslässt, gegen die Initiative Stimmung zu machen. Dabei bemüht er uralte Totschlagargumente: Angeblich seien Arbeitsplätze bedroht und Schweizer Firmen würden sogar ins Ausland abwandern. 

Für Simone Curau-Aepli vom Komitee Kirche für Konzernverantwortung zeigt diese Argumentation die Widersprüchlichkeit und Hilflosigkeit der Gegner:innen, da diese behaupten würden, es gebe angeblich nur ganz wenige Unternehmen, die gegen Menschenrechte und Umweltauflagen verstossen. «Sollte es tatsächlich so viele Unternehmen geben, die ein Fehlverhalten haben, dann sabotieren sich die Gegner in ihrer eigenen Argumentation», so die Präsidentin des Katholischen Frauenbundes.

Ausserdem seien es gerade Rohstoff- und Chemiefirmen, die in der Schweiz ideale politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen hätten, wie beispielsweise eine sichere Rechtsordnung und ein vorteilhaftes Steuersystem, so Curau-Aepli. «Es gibt also wenig Anreize für solche Unternehmen, ihren Hauptsitz ins Ausland zu verlegen.» Ausserdem gibt es derzeit auf EU-Ebene sowie in Deutschland und den Niederlanden ähnliche Bestrebungen, die eine Sorgfaltsprüfung von Unternehmen verlangen und Konsequenzen bei Nichteinhalten vorsehen. Es ist also überhaupt kein Alleingang der Schweiz.

Bundesrat blickt offenbar nervös und ängstlich auf den 29. November

Bundesrat Maurer geht sogar soweit und stellte kürzlich in einem inoffiziellen Video (mit Schweizer Fahne im Hintergrund) moralische und humanitäre Grundprinzipien der Schweiz in Frage. «Mit dieser Initiative sagen wir: Wir sind moralisch die Besten, wissen weltweit, wie es geht. Alle anderen sind ein bisschen schlechter. Es passt doch nicht zur Schweiz, dass wir auf der ganzen Welt moralisieren.»

Das genaue Gegenteil sagt Maurer allerdings, wenn es um den Wohlstand der Schweiz geht. Hier sieht der Finanzminister die Schweiz gegenüber anderen Ländern natürlich in einer weitaus überlegenen Position, wie er unlängst an einer Covid-Medienkonferenz deutlich machte.

Corona-Medienkonferenz vom 4. November 2020.

Trotz des wirtschaftlichen Einbruchs aufgrund der Corona-Pandemie sei die finanzielle Situation in der Schweiz «…immer noch besser als im Ausland, das können wir immer als positiv sagen, oder? Aber wir können uns ja nicht mit den Schlechten in Europa messen, sondern wir müssen besser sein.»

Mit anderen Worten: Geht es um Moral, Menschenrechte und Umweltschutz, ist es für die Schweiz nicht nötig, zu «den Besten» zu gehören. Geht es hingegen um das Vergleichen des wirtschaftlichen Erfolgs und des Wohlstandes mit anderen Staaten, ist es in seinen Augen für die Schweiz eine Pflicht an der Weltspitze zu stehen.

Dieses Narrativ ist aus mehreren Gründen falsch. Es suggeriert, dass die Schweiz ihren Wohlstand und finanziellen Reichtum alleine durch Fleiss, Tüchtigkeit und Anstand erschaffen hat. Tatsächlich aber ist der Wohlstand der Schweiz und anderen westeuropäischen Ländern nur möglich, weil Menschen und Länder im Süden über Jahrzehnten ausgebeutet wurden. Die Verletzung von Menschenrechten und die Zerstörung der Umwelt in südlichen Ländern gehört gewissermassen zur DNA des Wohlstandes in der Schweiz sowie anderen europäischen Ländern. 

Gesetze sind bereits da, sie müssen nur eingehalten werden

Die Schweiz würde bei Annahme der Vorlage auch nicht in die Rolle eines «Weltpolizisten» geraten, der anderen vorschreibt, wie sie sich moralisch zu verhalten haben, wie das Maurer ebenfalls behauptet. Im Gegenteil: Das Problem ist eher, dass die Schweiz sogar ihre eigenen Gesetze bricht, obwohl sie 2011 die UN-Richtlinien für Wirtschaft anerkannt hat, die internationale Standards vorschreiben.

Ein weiteres Argument der Gegner:innen lautet, Konzerne würden Menschenrechte und Umweltstandards sowieso bereits freiwillig einhalten. Die Theologin und Autorin Ina Praetorius hegt jedoch mehr als Zweifel an dieser Argumentation. «Es ist mir ein Rätsel, ob diese Leute tatsächlich an die freiwillige Selbstverantwortung glauben.» 

Es habe sich mehrmals gezeigt, dass wichtige Bestimmungen wie das Tragen von Corona-Masken oder die Beseitigung des Gender Gaps nicht einfach freiwillig den Menschen überlassen werden könnten, so Praetorius. So mache es auch keinen Sinn wie von den Gegnern im indirekten Gegenvorschlag formuliert, dass Unternehmen lediglich dazu verpflichtet werden sollen, regelmässig über ihr Engagement für Menschenrechte berichten zu müssen. 

Unternehmen würden sich gegen aussen von ihrer besten Seite zeigen und bestimmt auch nicht zugeben, keine Verantwortung zu übernehmen. «Es reicht aber nicht, wenn Konzerne schöne Hochglanz-Prospekte veröffentlichen, damit wir ihnen glauben, alles gehe mit rechten Dingen zu und her.»  

Ein Paradigmenwechsel steht unmittelbar bevor

Menschen wie Ueli Maurer wollen oder können nicht wahrhaben, dass allmählich ein neues Zeitalter anbricht und wir uns am Beginn eines Paradigmenwechsels befinden. Dieser Paradigmenwechsel betrifft die Art und Weise wie wir leben, arbeiten und wirtschaften. 

Wie fest Initiativ-Gegner noch an alten Strukturen und Denkmustern festhalten, zeigt das Argument, wonach bei Annahme die gesamte Wirtschaft in Gefahr sei. Sogar KMU seien bedroht, so die Argumentation. Nur, was ist eigentlich mit «die Wirtschaft» gemeint? Ina Praetorius, die schon verschiedene Bücher zur Zukunft des Wirtschaftens publiziert hat, versteht unter «Wirtschaft» vielmehr «Care», also eine Wirtschaft, die Fürsorge, Pflege, Betreuung und Haushalt als wirtschaftliche Leistungen in die Mitte nimmt. «Wir sollten uns überlegen, ob es angemessen ist, immer zu sagen, ob die Wirtschaft einen so grossen Einfluss hat. Die Wirtschaft bin auch ich als Hausfrau.» Die Coronakrise zeige deutlich, dass die Wirtschaft nicht nur von Grossunternehmen abhängig sei, sondern auch vom Kleingewerbe im Dorf oder der Stadt.

Der Begriff «Ökonomica» müsse wieder auf seine ursprüngliche Bedeutung der Hauswirtschaft und der Bedürfnisse der Menschen zurückgeführt werden, so Praetorius. Der Markt sei nur eine Funktionsweise der Wirtschaft, es gebe auch noch den Staat und die Zivilgesellschaft mit ihren Haushalten. Leider werde zu oft auf den Bereich «Markt» fokussiert, weil es dort ums Geld gehe.

Dem Begriff «Wirtschaft» eine neue Bedeutung geben 

Auch die Initiativ-Gegner würden sich argumentativ vor allem auf diesen Bereich konzentrieren. Und letztendlich entscheide – auch bei der Initiative – wahrscheinlich das «Grosse und Mächtige Geld», erklärt Praetorius des Vereins «Wirtschaft ist Care». «Ich denke, grosse Unternehmen und vermögende Menschen werden in der Schlussphase des Abstimmungskampfes Geld in die Gegen-Kampagne einschiessen, damit es weiterhin so läuft, wie die sich das vorstellen.»

Noch ist aber nichts verloren. Die Chancen für eine Annahme der Konzernverantwortungsinitiative stehen gut. Selbst wenn sie abgelehnt werden sollte, den Mächtigen mit ihrem «Big Money» dämmert es langsam, dass ihre Tage gezählt sind und ein Wandel kommen wird. Die Transformation und der Paradigmenwechsel in ein neues Zeitalter stehen unmittelbar bevor. Es ist nur noch eine Frage der Zeit.

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