Chaos und Unsicherheit sind Symptome des Übergangs in eine bessere Welt

New York City ist die Stadt der Gegensätze. In der Stadt leben neoliberale und «erfolgsverwöhnte» Menschen wie Donald Trump, sowie die vom Neoliberalismus produzierten und in Armut lebenden «Verlierer». Foto: phb
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Unsere Welt befindet sich im Umbruch und steht unmittelbar vor einem Paradigmenwechsel. Weil wir zurzeit mitten in diesem gesellschaftlichen Wechsel stecken, scheint die Welt chaotischer und auswegsloser als auch schon. Noch ein paar Jahre, dann sollten wir es geschafft haben und hoffentlich in einer besseren Welt angekommen sein.

Donald Trump ist bald Geschichte. Zumindest seine US-Präsidentschaft. Seine Wahl im Herbst 2016 war – genauso wie der Brexit in Grossbritannien einige Monate zuvor – Ausdruck des aktuellen globalen Chaos, das sich seit der Finanzkrise 2008 beschleunigt hat. 

Der Grund für dieses Chaos ist der aktuelle Untergang der neoliberalen Politik und Wirtschaftsordnung. Es ist das Ende einer Politik, die ab 1980 durch Margaret Thatcher und Ronald Reagan etabliert wurde. Diese Politik der vergangenen 40 Jahre bestand grundsätzlich darin, den Staat möglichst aus dem wirtschaftlichen Handeln fern zu halten. Dazu gehörte teilweise ein massiver Abbau des Sozialstaates oder die Privatisierung ehemals staatlicher Strukturen und Einrichtungen. Deregulierung heisst das Zauberwort des Neoliberalismus.

Neoliberale Politik unterwirft jeden und alles einem wirtschaftlichen Wettbewerb. Egal ob Unternehmen, Universitäten, den Wohnungsbau oder die Kultur, selbst Menschen stellt der Neoliberalismus in Konkurrenz mit anderen. Die expansive Erschliessung neuer Märkte in Bereiche die zuvor keiner Marktlogik unterworfen waren, ist eine Kernessenz des Neoliberalismus.

Ohne Neoliberalismus wären weder Donald Trump noch Christoph Blocher in dieser Form möglich gewesen. Schon gar nicht, was ihr Vermögen betrifft. Ohne die Deregulierung der Finanzmärkte seit den Achtzigerjahren gäbe es heute weltweit wahrscheinlich keine 2’100 Milliardäre. 

Aussagekräftiges Schild einer Demonstratin vor dem Trump-Tower in New York City nach der Wahl Trumps zum 45. US-Präsidenten im November 2016. Foto: phb

In der neoliberalen Vorstellung, die ihren Ursprung in den 1970er-Jahren bei Friedrich von Hayek und Milton Friedman hat, sind Wohlstand und Innovation die direkte Folge von freien Märkten und ungebremstem Wirtschaftswachstum. Solange immer mehr produziert wird und das Kapital zunimmt, läuft der neoliberale Motor wie geschmiert und produziert Reichtum und Milliardäre am Laufmeter.

Während der Neoliberalismus auf der einen Seite Reichtum für einige wenige Trumps, Blochers, Zuckerbergs und Bezos generiert, gibt es auf der anderen Seite immer mehr Menschen, die in Armut leben und auf Lebensmittelmarken angewiesen sind.

Der Neoliberalismus hat die Welt in einen binären Zustand aufgeteilt. In Gewinner und Verlierer. In Reiche und Arme. In Erfolgreiche und Erfolglose. In Gebildete und Ungebildete. In Hochqualifizierte und Niedrigqualifizierte. In Gute und Böse. Und so weiter und sofort.

In der Logik des Neoliberalismus sollen all jene viel Geld verdienen die wirtschaftliches Wachstum generieren. Dazu gehören Berufe im Finanzsektor oder der Wirtschaftsberatung. Wer nicht studiert hat – egal aus welchen Gründen – soll später im Beruf Ende Monat auch weniger Geld auf dem Konto haben, schliesslich trägt er oder sie auch kaum zum Wachstum. Es ist kein Zufall, dass geringqualifizierte Berufe wie Reinigung, Coiffeur oder Pflege einerseits mehrheitlich von Frauen ausgeübt werden und diese andererseits eine geringe soziale Wertschätzung erfahren.

Neoliberale Politik schert sich nicht um Gleichberechtigung oder Chancengleichheit und Anerkennung. Das Ziel des Neoliberalismus ist es einzig, Wachstum für einige wenige zu generieren auf Kosten von finanziell schwächeren Menschen. 

Das angeblich unendliche Wachstum stösst jedoch immer mehr an seine Grenzen. 2008 erlebte der Neoliberalismus mit seinen deregulierten Finanzmärkten erstmals einen Crash. In der Folge sind zahlreiche europäische Staaten in eine massive Verschuldung geraten, deren Konsequenzen nun die «normalen» Bürger:innen für die kommenden Jahrzehnte spüren werden. Jetzt mehr als ein Jahrzehnt nach der Finanzkrise merken wir, dass unendliches Wachstum auch nicht mit unserer Umwelt und den endlichen Ressourcen des Planeten vereinbar ist.

Das heisst, die seit 40 Jahren dominante neoliberale Politik stösst vermehrt an ihre Grenzen und ist immer weniger in der Lage, adäquate Antworten auf die aktuellen Herausforderungen wie der Klimakrise oder der sozialen Ungleichheit zu präsentieren.  

Trumps bald endende Amtszeit war gewissermassen der Höhepunkt der neoliberalen Denkweise und Politik der vergangenen Jahre. Trump wurde 2016 möglich, weil die «Winner-Take-All»-Philosophie des Neoliberalismus seit rund zehn Jahren in der Krise ist und eben keine Antworten bietet auf Herausforderungen. 

Diese Unsicherheit und Verunsicherung spüren die Menschen und suchen deshalb «Sicherheit und Halt» bei antidemokratischen und rechtsextremen Populisten wie Trump. Auch die Erfolge rechtspopulistischer bis rechtsextremer Parteien wie der AfD in Deutschland, des Rassemblement National in Frankreich oder der europaweiten Identitären Bewegung sind die Folge der Verunsicherung der Menschen, die durch die politische «Lücke» und deren Unterversorgung von Lösungsansätzen ausgelöst wurde.

Während im Neoliberalismus nur steigende Börsenkurse und Wachstum vorstellbar sind, zeigt die Realität seit einigen Jahren in die andere Richtung: Foto: phb

Oft gehören diese Menschen zu den Verlieren des Neoliberalismus. Es sind meistens Menschen mit wenig Bildung und wenig sozialer Anerkennung, die in der Regel gering qualifizierte Berufen zur Folge haben. In ihrem eigenen Empfinden haben sie in den vergangenen Jahren – im Zeitalter des Neoliberalismus – an sozialem Status verloren. Es ist die bekannte Schere, die sich immer weiter öffnet. 

Diese Ausgrenzung macht sie besonders empfänglich für angeblich einfache Lösungen rechter Politik auf die zunehmend komplexere Welt, die sie nicht verstehen. In der zu heute vergleichsweisen unterkomplexen Welt des Mittelalters, haben sich die Menschen in Krisen- oder Pestzeiten auf die Religion bezogen und Katastrophen oder Ungerechtigkeit als gerechte Strafe Gottes anerkannt. Heute suchen die Menschen die Schuld in der (linksgrünen) Politik, den Medien oder Bill Gates. Deshalb haben derzeit auch verschwörungstheoretische und antisemitische Bewegungen wie «Querdenken» relativ grossen Zulauf.

Das Ende des neoliberalen Zeitalters, der Mangel an politischen Lösungen auf komplexe Probleme und jetzt auch noch eine Pandemie, stellen die bisher grundsätzlich breit etablierten Praktiken in Frage. Gleichzeitig merken wir, dass wir die globalen Herausforderungen nicht mehr mit den bisherigen Werkzeugen und Denkweisen bewältigen können.

Die Antwort auf diese unsichere Zeit kann nur heissen, mehr Demokratie und mehr Integration von Minderheiten. Frauen, Schwarze, Homosexuelle oder Migranten. Während der Neoliberalismus lediglich für eine Offnung der Märkte steht, liegt die grosse Leistung des (linken) Liberalismus der vergangene Jahrzehnte in der sozialen Öffnung und Aufwertung des Individuums und Minderheiten.

Diese Errungenschaft muss unbedingt vorangetrieben werden. Gleichzeitig müssen wir in der post-neoliberalen Zeit endlich ernsthaft Lösungen angehen, die Klimakrise zu bewältigen und die soziale Ungleichheit weiter zu reduzieren. 

Während der Neoliberalismus seit 40 Jahren den Staat schlecht redet und Kulturinstitutionen kaputtspart und deregulierte, sollten nun demokratische Institutionen wieder vermehrt reguliert werden. Weder die Klimakrise noch die soziale Ungleichheit darf einem Markt unterworfen werden.

Es braucht beispielsweise eine staatliche Regulierung der Flugbranche, eine flächendeckende Veränderung der Lebensmittel- und Landwirtschaftsindustrie, Mindestlöhne oder eine gesellschaftliche Aufwertung von gering qualifizierten Berufen.

Sobald sich solche neuen Strukturen breit etabliert haben, wird auch die soziale Ungleichheit und damit die Unsicherheit abnehmen. In der Folge dürften auch rechtsextreme Bewegungen an Popularität verlieren. Dieser Wandel in die neue Zeit ist anstrengend und langwierig. Aber spätestens gegen Ende des noch jungen Jahrzehnts dürfte dieser Prozess abgeschlossen sein. Hoffentlich. Die vielbesagte «bessere Welt» ist zum greifen nah.

2 Gedanken zu „Chaos und Unsicherheit sind Symptome des Übergangs in eine bessere Welt“

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