Medien: «Relevant» ist nicht in jedem Fall wichtig

Online-Portale und Zeitungen sollten manchmal vielleicht besser ihre Seiten weiss lassen, anstatt Unwichtiges in die Welt zu setzen. Weisse Wand im April 2015 in Basel mit einem vielsagenden Graffiti. Foto: phb
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Das neue iPhone oder marginale Umsatzrückgänge von globalen Milliarden-Konzernen schaffen es viel eher auf die Frontseiten der Medien, als die drohende Klimakatastrophe. Das muss ausfhören. Medienunternehmen sollten endlich eine Relevanzdebatte führen. Das Meiste, was in den Zeitungen und auf Online-Portalen geschrieben steht ist zwar inhaltlich korrekt, faktenbasiert und richtig, aber oft schlicht nicht wichtig sondern irrelevant.

2020 wird das wohl wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnung. In der Arktis schmilzt das Eis so schnell, wie niemals zuvor. Und die Medien? Denen sind solche Ereignisse höchstens eine einmalige Meldung wert, dann ist das Thema wieder für eine Weile abgehackt. Medien berichten lieber über Börsenkurse, das neuste iPhone oder mit wem der Bachelor nun ins Bett steigt.

Wirklich «schockierende» Themen wie schmelzende Eiskappen, Rekordhitze oder Dürren finden nur am Rand satt. Stattdessen werden die Leser:innen und Zuschauer:innen mit angeblich «schockierenden» Nebensächlichkeiten wie rückläufigen Absatzzahlen der Automobilindustrie, Umsatzrückgängen bei Nike oder mit den Sorgen der Grossunternehmen eingelullt.

Die Medien haben ein ziemliches Relevanzproblem. Ich sage bewusst die Medien, weil praktisch alle etablierten Medien den Fokus falsch ausgerichtet haben. Ihre Berichterstattung ist zwar zu 99 Prozent der Fälle wahr und richtig und nach bester journalistischer Sorgfalt geleistet , aber leider oft schlichtweg nicht relevant. Richtig, aber unwichtig.

Vor einigen Wochen habe ich im Bus auf einem Screen eine Kurznachricht von nau.ch gesehen in der es hiess, «Nike schafft dank Online-Boom die Trendwende». Na und? Und jetzt? Schön für Nike, aber was bringt mir dieses Wissen, vorallem vor dem Hintergrund, dass im Bus diese Nachricht lediglich in drei Sätzen abgehandelt wird? Kein wirklicher Kontext, kein wirklicher Mehrwert. Einfach nur eine Zumüllung mit Nichtigkeiten. Ausser den Aktionären interessiert niemand, ob Nike den Turnaround geschafft hat. Wirklich niemand.

Etwas anders wäre die Ausgangslage, wenn Nike als Nummer eins im globalen Sportartikelgeschäft pleite gegangen wäre. Aber nein, das ist nicht der Fall. Nike machte 2019 rund 35 Milliarden Dollar Umsatz und mehr als vier Milliarden Gewinn. Nau war nicht das einzige Medium, das diese Meldung damals Ende September verbreitet hat. Es handelte sich um eine typische Agenturmeldung, die Medien erhalten, um ihre Papier- und Online-Seiten zu füllen.

Genauso verhält es sich auch, wenn Apple in Kalifornien ein neues iPhone präsentiert. Medien stürzen sich darauf und berichten oder schalten sogar einen Livetikcer während der Präsentation. Who cares? Was ich noch weniger verstehe ist, weshalb Medien über schwindende Werbeeinnahmen klagen, dann aber kostenlos Werbungen machen für die Produkte von Milliardenunternehmen. Als Verleger würde ich mir eine solche Berichtererstattung wenigstens als (markierter) Paid Content bezahlen lassen. Content gegen Geld, kein Geld, kein Content.

Das Problem liegt noch tiefer. Berichte über neue iPhones und marginale Umsatzeinbussen von Milliardenkonzernen mangelt es nicht nur an gesellschaftlicher Relevanz, sondern solche Inhalte machen wichtigen Themen wie Klimaerwärmung, Artensterben oder ökonomischen und sozialen Herausforderungen den Platz streitig im Wettbewerb um Aufmerksamkeit.

Medien klagen über Rückgänge bei den Abonenntenzahlen und sinkende Werbekunden. Gleichzeitig haben sie dann aber doch noch genügend Geld, um Automobilseiten zu finanzieren (Automobilseiten im Jahr 2020!) oder um, wie die NZZ, auf mehreren Seiten Börsenkurse zu drucken.

Medienverlage sollten endlich die Relevanzdebatte führen. Wer sind sie? Was wollen sie? Und wollen sie wirkliche Relevanz abbilden? Der typische brave Journalist, wie er im Bilderbuche steht, behauptet, er wolle die Welt abbilden, wie sie sei. Gut, dann mach das endlich! Fang mit den wirklichen Problemen an und hör auf, über neue Autos und iPhones zu schreiben. Es schreit zum Himmel. Wir haben wichtigere Probleme als neue Autos und iPhones.

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