Autofrei: Wir haben Verkehrstote, Lärm und Abgase jahrelang toleriert

Stop zu mehr Strassen und Autos. Wollen wir die Klimaziele ernsthaft erreichen und die Lebensqualität der Menschen in den Städten verbessern, müssen wir endlich über unsrere Beziehung zu Autos reden. Foto: phb
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Das Auto dominiert noch immer den öffentlichen Raum. Das Auto sorgt für schlechte Luft, Lärm, Staus, Unfälle und Raserei. Während in der Schweiz noch immer Autobahn-Projekte geplant werden, zeigen internationale Städte bereits, wie eine Zukunft mit weniger oder gar keinen Autos aussehen könnte. 

Wann werden eigentlich endlich die Parkplätze den grösseren Autos angepasst? Viele SUV passen einfach nicht mehr in die kleinen Parkplätze. Es gibt wahrscheinlich tatsächlich Menschen, die eine solche Forderung nicht ironisch, sondern für realistisch halten würden. Schliesslich sind viele Autos in den vergangenen Jahren tatsächlich immer grösser geworden, nur die Parkplätze konnten mit diesem Wachstum nicht Schritt halten.

Anstatt die Parkplätze zu vergrössern, wäre es wohl zukunftsgerichteter, Parkplätze zu reduzieren und Autos soweit wie möglich aus dem öffentlichen Raum zu bannen. Autofrei oder Carless heissten weltweite Initiativen, die sich für eine Zukunft ohne Auto stark machen.

Eine soeben gestartete globale Autofrei-Initiative hat nun verschiedene Stadtpräsident:innen von New York, London bis Paris angefragt, wie sie es denn eigentlich sehen mit der autofreien Zukunft? Wie könnte der Prozess einer autofreien Zukunft beschleunigt werden, damit die Luft in Städten sauberer wird und Menschen wieder mehr Lebensqualität zurück erhalten? Ausserdem macht sich die Initiative Gedanken, wie nach der Covid-19-Pandemie die Städte ökologischer und grüner wieder hochgefahren werden können, ohne in alte Verkehrsmuster zurückzufallen. Immerhin ist beispielsweise die Abgasbelastung während des Corona-Shutdowns global um durchschnittlich 60 Prozent zurückgegangen

Die Parkfelder sind zu klein, weil die Autos in den vergangenen Jahren immer breiter geworden sind. Bild: phb

Gemäss einer neueren Studie sterben jährlich etwa 8.7 Millionen Menschen einen vorzeitigen Tod wegen Luftverschmutzung durch Abgase. Es ist eine Todesursache, die wir als Gesellschaft stillschweigend seit Jahrzehnten akzeptieren, weil uns Autos angeblich wirtschaftlichen Fortschritt bringen. Ohne Auto, keinen Handel. Ohne Handel, kein Wachstum. Ohne Wachstum keinen Wohlstand. So lautet das weit verbreitete und akzeptierte Narrativ. Eine Alternative ist für viele noch immer unvorstellbar. Von der angeblichen «Freiheitsberaubung», die eine Beschränkung des Automobils mit sich bringen würde, ganz zu schweigen. 

Seit Jahrzehnten haben wir uns ebenfalls damit abgefunden, dass Autos in Städten nicht nur stinken, sondern Unmengen an Platz benötigen und sie auch ungeheuerlichen Lärm verursachen. Lärmende Autoposer sind in den vergangenen Jahren lediglich eine Pervertierung eines seit Jahrzehnten bestehenden Problems. Gegen solchen Lärm regt sich zu Recht immer mehr Widerstand. Und bereits in einigen Jahren dürften auch Lärmblitzer zum Einsatz kommen, mit denen Raser und Poser gebüsst werden könnten, wenn sie zu viel Lärm machen.

Zum krankmachenden Lärm und Gestank kommen die jährlich weltweit 1.35 Millionen Todesopfer und die etwa 50 Millionen Verletzten durch Verkehrsunfälle. Die Autoindustrie hat auf diese Todeszahlen in den vergangenen Jahren mit grösseren Autos wie SUV reagiert. Je grösser das Auto, desto sicherer fühlen sich die Fahrer:innen. An Radfahrerinnen, Fussgänger und Kinder hat die Autoindustrie wohl keinen einzigen Gedanken verschwendet. «Muss ja niemand zu Fuss gehen, die Strassen sind schliesslich für Auto gebaut», lautet wahrscheinlich der inoffizielle Slogan der Automobilindustrie. Dass die Autolobby, Auto-Importeure und Hersteller nun auch das CO2-Gesetz bekämpfen, zeigt überdeutlich, dass es dieser Branche nicht um die Gesundheit und das Wohl aller Menschen geht, sondern nur um die eigenen Profite.

Ein weiteres Problem des Autoverkehrs ist die Geschwindigkeit. Viele Autofahrer:innen rasen auf Strecken, die eigentlich gar nicht für Auto und Geschwindigkeit ausgelegt sind. Beispielsweise auf Strassen innerorts. Ein Auto stellt grundsätzlich eine Gefahr für Menschen, insbesondere Kinder, dar. Wer in bewohnten und belebten Quartieren mit erhöhter Geschwindigkeit unterwegs ist, handelt kriminell.

Ein weiteres Problem sind Staus. Wohl jeder Autofahrer regt sich auf, wenn er oder sie in einen Stau gerät. Oft wird dabei vergessen, dass jeder Autofahrer selbst Teil des Problems ist.

In den vergangenen Jahrzehnten haben wir das Autoproblem in seiner ganzen Breite nicht nur akzeptiert, sondern es auch immer wieder gefördert und unterstützt. Beispielsweise durch den stetigen Aus- und Neubau von Strassen und Autobahnen oder dem Bau von Parkplätzen. In zahlreichen Städten gibt es auch im Jahr 2021 tatsächlich noch Neubauprojekte für Autobahnen, Autobahneinfahrten oder neuen Schnellstrassen. 2021! Unglaublich.

Nigelnagelneue Parkplätze in der Stadt St. Gallen. In einer Zeit, in der wir weniger Autos brauchen, sehen Politik und Wirtschaft Autos noch immer als alternativlosen Wachstumsmotor. Ohne Auto keine Wirtschaft. Foto: phb

Während des Corona-Shutdowns im Frühling 2020 waren die Strassen vielerorts leer. Es gab keine Staus, keinen Lärm und viel weniger Abgase. Eigentlich hätten die Menschen aufatmen müssen und nicht mehr zum Punkt von vor der Pandemie zurückkehren wollen. Es kam anders. Weltweit steigen die CO2-Emissionen bereits wieder an und der Verkehr hat schon wieder das Niveau von vor der Krise erreicht. Es scheint, als ob die Menschen sich einfach nicht trennen können vom angenehmen Lärm, den herrlich riechenden Abgasen, den unausweichlichen Unfällen, den vielen Rasern und den Raum einnehmenden Fahrzeugen. 

Oft sind es Menschen, die ausserhalb einer Stadt wohnen, die Verkehrschaos und Staus in Städten verursachen. Gemäss der globalen Initiative des Car Free Megacities Dashboard haben beispielsweise in London 60 Prozent der Einwohner kein eigenes Auto. In Paris sind es sogar 66 Prozent und in New York City haben 78 Prozent kein eigenes Auto.

Alle drei Städte, New York, London und Paris sind Millionenmetropolen. In allen drei beanspruchen Autos jeweils eine Fläche von etwa 30 Quadratkilometern, das sind rund 4200 Fussballfelder. Ein Auto steht in der Regel 23 Stunden am Tag auf einem Parkplatz.

Wie die Entwicklung von autofreien Städten aussehen könnte, zeigen einige europäische Metropolen bereits jetzt. In Amsterdam hat ein Mitglied des Stadtrats kürzlich eine erste Hürde mit einer Initiative genommen, mit der 10.000 Parkplätze in der Innenstadt gestrichen werden sollen. Und in den U-Bahnen der Stadt ist Werbung für Autos verboten. Das Stadtzentrum von Oslo in Norwegen wird demnächst komplett autofrei. 

Es wäre ein Anfang, wenn auch Städte in der Schweiz innovative Lösungen suchen würden, die Autofahren weniger attraktiv machen würden. Noch immer ist das Auto auch auf kurzen Strecken für viele attraktiver, als das Velo zu nehmen oder zu Fuss zu gehen. Jedenfalls ist es an der Zeit, jene Menschen steuerlich «zu belohnen» welche kein eigenes Auto haben. 

Es wird zeit, den öffentlichen Raum in Innenstädten endlich wieder den Menschen zurückzugeben. Gehörte das 19. Jahrhundert den Dampfmaschinen und das 20. Jahrhundert den motorisierten Autos, so soll das 21. Jahrhundert wieder den Menschen gehören.

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