Zukunft: Nichtstun kostet womöglich Billionen Dollar

Die Welt von Morgen können wir jetzt gestalten, ohne Wohlstand einbüssen zu müssen. Im Bild Brunnen in Flushing Meadows, Queens, New York City. Foto: phb
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Wer den Planeten retten will, gilt schnell als wirtschaftsfeindlich oder realitätsfremd. Die wirtschaftlichen Kosten für das Nichtstun werden aber um das Vielfache höher sein, als wenn wir auf eine nachhaltige Gesellschaft umsteuern. Nachhaltigkeit bedeutet nicht automatisch weniger Lebensqualität. Die Herausforderung ist es, die Lebensqualität zu halten und trotzdem die Ökosysteme des Planeten zu schonen.

Die Coronakrise hat in den vergangenen Monaten eines gezeigt: Wenn Regierungen, Unternehmen und Zivilgesellschaft wollen, können sie von heute auf morgen alltägliche Routinen und gesellschaftliche Praktiken verändern. Über Nacht lassen Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen von zuhause aus arbeiten, sprechen Regierungen Milliarenkredite und stampfen Städte Radwege aus dem Boden.

Genau hier muss die Debatte um die Zukunft nun ansetzen. Was können wir aus den Veränderungen der vergangenen Monate lernen? Ist es möglich, durch Home Office den Mitarbeitenden künftig mehr Freiheit und Vertrauen zu geben? Wollen wir überhaupt noch 40 Stunden pro Woche arbeiten? Ist Freizeit und Zeit mit der Familie und Freunden nicht höher zu gewichten als Arbeit? Welchen Einfluss hätte eine eine geringere Arbeitszeit auf die Gesundhet und das Glück der Menschen?

Für die kommende Gesellschaft – die Next Society – sind ganz andere Muster, Routinen und Verhaltensweisen gefragt. Beispielsweise in der Kommunikation. Das Top-Down-Modell, nachdem einige wenige die Gesellschaft formen und prägen und alle anderen lediglich abnicken dürfen, funktioniert nicht mehr. Breite gesellschaftliche Patrizipation an demokratischen Prozessen und gegenseitige soziale Verantwortung sind die Themen der kommenden Jahre.

Firmen müssen sich überlegen, wie sie in Zukunft geschäften wollen. Wie wollen sie mit ihren Mitarbeitenden und Kunden auf Augenhöhe kommunizieren? Was bedeuten Nachhaltigkeit und Resilienz wirklich? Oder wollen sie sich lediglich einen oberflächlichen grünen Anstrich geben, weil ökologische Themen grad in Mode sind?

Auch die Demokratie braucht ein Update. Demokratie ist wohl eine der grössten Errungenschaften der Menschheit. Aber ihre Strukturen stecken noch oft im 19. Jahrhundert fest. In Zukunft sind neben den nationalen Parlamenten beispielsweise Bürgerparlamente vorstellbar, in denen Menschen aus verschiedensten Bereichen und Schichten über die Zukunft diskutieren und (regionale) Entscheidungen treffen. In Frankreich gibt es solche Bürgerräte bereits seit etwa einem Jahr und in der Schweiz ist der Bürgerrat Klima in Planung.

Dringend nötig sind Investitionen in die Bildung. Studium und Bildung dürfen kein Privileg einer reichen Schicht bleiben. Schulen und Universitäten müssen allen Menschen zugänglich sein. Das sind sie natürlich jetzt schon. Aber noch immer sind es vor allem Jugendlliche aus Akademikerfamilien, die ein Studium absolvieren. Etwa sieben von zehn Kindern aus Akademikerfamilien besuchen eine Uni. Bei Familien ohne akademischen Hintergrund sind es lediglich zwei von zehn.

Dieser Gap muss geschlossen werden, durch neue Bildungsformen und Beteiligungen aller Menschen am Wissen der Welt. Wissen ist einer der wenigen Rohstoffe, die tatsächlich unendlich verfüg- und vermehrbar sind.

Nötig sind finanzielle Investitionen in den kommenden Jahren auch im öffentlichen Verkehr. Europaweite Nachtzüge in die grossen Metropolen, auch von der Schweiz aus, sollten eigentlich längstens Realität sein. Noch immer benötigt man für eine Zugreise von Zürich nach Berlin knapp 13 Stunden. Das ist zu lange. Auch in andere europäischen Städte braucht es dringend schnellere Eisenbahn-Verbindungen.

Noch immer sind solche finanziellen Investitionen für viele Menschen unvorstellbar. Vorallem bürgerlich und rechts eingestellte Menschen geben lieber Milliarden für Kampfflugzeuge, Panzer oder für den Bau von Autobahnen aus, als das Geld in zukunftsweisende Projekte zu investieren. In Zukunft dürfte das Geld noch knapper werden, weil die Klimakrise sehr teuer werden wird.

Das zeigt beispielsweise der gestern veröffentlichte «Costing the Earth»-Report. Darin kommen Forscher:innen von der University College London (UCL), dem britischen Energy Institute und dem Institute for Sustainable Resources zum Schluss, dass uns die Klimaerwärmung teuer zu stehen kommen wird, wenn wir jetzt nicht handeln. Die Kosten gehen weltweit in die Billionen. Jährlich.

Die Autorinnen und Autoren gehen davon aus, dass bis 2070 weltweit jährlich etwa 5.4 Billionen Dollar nötig sins, um die Auswirkungen der Klimakrise zu bewältigen, wenn wir in den kommenden zehn Jahren keine Massnahmen ergreifen. Bis ins Jahr 2200 dürften sich die jährlichen globalen Kosten sogar auf 31 Billionen Dollar belaufen. Aber ja, was interessiert uns schon, was in 180 Jahren sein wird?

Wenn wir jetzt anfangen, Massnahmen zur Abfederung der Klimakrise zu ergreifen, sowie das Bildungs- und Infrastruktursystem erneuern und die Wirtschaft in eine Kreislaufwirtschaft zu verändern, dürften die Kosten längerfristig weniger hoch ausfallen, als wenn wir nichts tun.

Nichts tun hätte auch gravierende Auswirkungen auf den viel beschworenen europäischen Wohlstand. Dieser wird nicht durch Migranten von ausserhalb Europas bedroht, sondern von uns Menschen in Europa selbst. Wohlstand ist nur möglich in einer intakten Welt, die als Lebensgrundlage für alle Menschen und Lebensentwürfe steht.

Schaffen wir es, die ökonomischen Kosten und den ökologischen Fussabdruck möglichst gering halten, während wir die Ökosysteme und den sozialen Wohlstand schützen und aufrecht halten? Dies ist eine der grossen Herausforderungen unserer Zeit.

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