Verlust der Artenvielfalt hat massive wirtschaftliche Folgen

Der ausgetrocknete Aralsee. Verlassene Schiffe stehen heute in einer Wüste, wo einst der viertgrösste salzhaltige Binnensee der Erde war. Foto: Wikimedia
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Jedem fünften Land der Erde droht der Zusammenbruch seines Ökosystems, weil die Artenvielfalt und damit die natürlich verbundenen Leistungen für die Wirtschaft verschwinden. Eine reichhaltige Artenvielfalt und eine intakte Umwelt sind nicht nur für uns Menschen überlegenswichtig, sondern auch für ganze Volkswirtschaften und Staaten. Das zeigt eine kürzlich publizierte Studie von Swiss Re.

Gemäss Swiss Re ist mehr als die Hälfte des globalen Brutto-Inlandproduktes – etwa 41.7 Billionen Dollar – abhängig von einer funktionierenden Biodiversität und intakten Öksystem-Leistungen, dem sogenannten BES. BES bedeutet «Biodiversity and Ecosystem Services» und meint die Leistungen, die die Natur und die Ökosysteme für die Menschen und die Wirtschaft erbringen. Dazu zählen beispielsweise auch Bienen, die Pflanzen bestäuben und somit eine natürliche wirtschaftliche Leistung erbringen. Bricht ein solches System weg, bedroht es Mensch und Wirtschaft.

Vorallem Länder des Südens, die noch stärker von der Landwirtschaft abhängig sind im Gegensatz zu postindustriellen Dienstleistungsgesellschaften des Nordens, seien besonders von einem Kollaps der Ökosysteme betroffen, schreibt Swiss Re im Bericht, der bereits Ende September veröffentlicht wurde.

Vorallem vom Agrarsektor abhängige Entwicklungsländer wie Kenia, Nigeria, Vietnam, Pakistan oder Indonesien seien anfällig für BES-Schocks. Unter den «westlichen» G20-Ländern sind Südafrika und Australien gemäss dem BES-Ranking am stärksten bedroht. Die grösste Bedrohung geht demnach von einer rückläufigen Bestäubung und Wasserknappheit aus.

Die Studie weist auf die Gefahr hin, dass die genannten Länder bei Störungen wichtiger natürlicher Ressourcen kritische Kipppunkte erreichen könnten. Um dies zu verhindern, ist eine weitere wirtschaftliche Diversifizierung wichtig, verbunden mit Bemühungen um den Naturschutz. Beispielsweise kann sich Wasserknappheit negativ auf das lokale Gewerbe, den Immobiliensektor oder die Lieferketten eines Landes auswirken.

Ber Bericht zeigt auf, dass Massnahmen gegen den Verlust der Biodiversität die wirtschaftlichen Kosten langfristig massiv senken können. So könnte beispielsweise die Sanierung der Ökosysteme an der Küste von Louisiana die erwarteten Kosten infolge Überschwemmungen um jährlich 5.3 Mrd. USD reduzieren.

Oder mit Massnahmen zur Pflege und Aufrechterhaltung von Korallenriffen in den Ozeanen der Erde könnten die Kosten bei Hochwasserschäden massiv gesenkt werden. Ohne Massnahmen steigen die Kosten in den kommenden Jahren aufgrund von Hochwasser weltweit um 91 Prozent.

Ein Extrembeispiel zeigt der Swiss Re-Bericht anhand des zentralasiatischen Aralsees. Der Aralsee, einst mit 68’000 Quadratkilometern der viertgrösste Binnensee der Erde, ist aufgrund menschlicher Einwirkungen auf heute noch knapp 8’000 Quadratkilometer ausgetrocknet. Die Umweltkatastrophe des Aralsees führte bereits zu Zeiten der Sowjetunion zu einer Massenmigration aus dem umliegenden Küstengebiet.

Das Satellitenbild zeigt den Rückgang des Aralsees zwischen 1989 und 2008. Bild: Wikimeida.

Die Reduktion der Artenvielfalt hat auch Auswirkungen auf die medizinische Forschung und damit auf das Entwickeln von neuen Medikamenten. So hat die Dezimierung des Regenwaldes im Amazonasgebiet massive Ausworkungen auf die medizinische Forschung. Fast 50 Prozent aller Medikamente werden aus den natürlichen Ressourcen in diesem Lebensraum gewonnen.


Hintergrund – Umweltkatastrophe am Aralsee

Der Aralsee befindet sich in den zentralasiatischen Ländern Usbekistan und Kasachstan. Einst der viertgrösste See der Welt, ist der mächtige Aralsee heute fast verschwunden. Seit 40 Jahren schrumpft der See.

Der Aralsee ist ein Salzwasser-Binnenmeer ohne Abfluss. Er wird von zwei Flüssen gespeist, dem Amu Darya und dem Syr Darya. Das Süsswasser aus diesen beiden Flüssen hielt den Wasser- und Salzgehalt des Aralsees in perfektem Gleichgewicht.

Anfang der 1960er Jahre beschloss die sowjetische Regierung dann, die Sowjetunion zu einem grossen Baumwollexporteur zu machen. Es wurden grosse Dämme über beide Flüsse gebaut und viele kleinere Kanäle zur Bewässerung der Baumwollfelder angelegt. In den nächsten 30 Jahren kam es zu einem starken Absinken des Wasserspiegels im Aralsee, seine Uferlinie ging zurück, und sein Salzgehalt nahm zu. Die Meeresumwelt wurde so salzig und verschmutzt, dass viele der Pflanzen und Tiere des Aralsees starben. Als das Meeresleben starb, litt auch die Fischereiindustrie.

Bis 1990 teilte sich der schrumpfende Aralsee infolge der anhaltenden Wasserumleitung in zwei Teile und sein Salzgehalt stieg von 10 Gramm (2 Teelöffel) pro Liter auf 45 (9 Teelöffel). In einigen Teilen des südlichen Aralsees erreicht der Salzgehalt ab 2001 einen Höchststand von 98 g (19,6 tsp) pro Liter. Der durchschnittliche Salzgehalt des Meerwassers beträgt 33 g (6,6 Teelöffel) pro Liter. Die einst blühende Fischereiindustrie ist zusammen mit den Fischen und einem Grossteil der Flora und Fauna zerstört worden. Salzpfannen und verseuchte Abflussseen sind entstanden, und die Winter sind härter und länger, die Sommer hesser und kürzer geworden.

Heute sind die Städte, die früher Fischerstädte waren, Wüstenstädte, die mehr als 50 Meilen vom Aralsee entfernt sind. Schiffe verrotten im Sand. Das Meer ist auf zwei Fünftel seiner ursprünglichen Grösse geschrumpft und rangiert heute auf Platz zehn in der Welt. Der Wasserspiegel ist um 52 Fuss gesunken, und das Volumen wurde um 75 Prozent reduziert, ein Verlust, der dem des Wassers in den beiden Seen Erie und Huron entspricht.

Die ökologischen, wirtschaftlichen, sozialen und medizinischen Auswirkungen für die Menschen in der Region sind katastrophal. Von den 73 Vogelarten der Region, 70 Säugetierarten und 24 Fischarten sind die meisten entweder ausgestorben oder weitergezogen. Ungefähr 20 Fischarten im Aralsee sind ausgestorben und können den giftigen, salzigen Schlamm nicht überleben. Die Trinkwasservorräte sind geschrumpft, und das Wasser ist mit Pestiziden und anderen Agrarchemikalien sowie Bakterien und Viren verseucht.

Das Gebiet ist nun ständig toxischen Staubstürmen und Wüstenbildung ausgesetzt, die Menschen in diesem Gebiet haben eine neun mal so hohe Rate an Kehlkopfkrebs zu erkranken wie der Weltdurchschnitt, und die Säuglings-/Muttersterblichkeit ist die höchste in allen Republiken der ehemaligen Sowjetunion. Auch Atemwegskomplikationen, Tuberkulose und Augenkrankheiten nehmen alarmierend zu.

Die usbekische Regierung macht sich wenig Sorgen um den Aralsee, so dass der südliche Teil wahrscheinlich in einigen Jahren vollständig verschwinden wird. Die kasachische Regierung hat einige Massnahmen zum Schutz des Aralsees ergriffen, so dass der nördliche Teil eine Chance haben könnte. Quelle: Wikimedia

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