Amerikanische Rohöllager sind voll und die Ölpreise stürzen ab – Was bedeutet das?

Seit 1913 wird Cushing im US-Bundesstaat Oklahoma Erdöl in die ganze Welt exportiert. Bild: wikimeida
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Die Rohölpreise sind wegen der Coronakrise so tief wie noch nie seit dem 19. Jahrhundert. Gleichzeitig sind die Lager mit Öl bis zum Bersten gefüllt. Was bedeutet dieser massive Crash der Ölindustrie für den Klimaschutz und das Ziel einer Nullemissions-Gesellschaft? – Philipp Bürkler

Zu «normalen» Zeiten verbraucht die globale Wirtschaft täglich etwa 100 Millionen Barrel Öl. Das entspricht etwa der Ladung von 50 Öltankern auf den Weltmeeren oder rund 700’000 Öltank-Lastwagen auf den Strassen. Täglich!

Diese Zahlen sind gigantisch. Weil wegen der Coronakrise weltweit Fabriken geschlossen werden oder die Produktion heruntergefahren wird, ist die Nachfrage nach Rohöl um etwa ein Drittel zurückgegangen. Das hat zur Folge, dass es zurzeit viel zu viel Rohöl auf der Welt gibt das niemand will. Weil die Erdölproduzenten weiterhin Öl aus dem Boden pumpen, haben die meisten Händler keine oder nicht genügend Lagermöglichkeiten. Sie wissen nicht wohin mit dem «schwarzen Gold». Die meisten Lagerräume für Rohöl in den USA sind bereits zum Bersten voll.

Als Folge dieser Überkapazitäten sind die Preise pro Barrel (159 Liter) abgestürzt. Die schwefelarme Rohölsorte West Texas Intermediate (WTI) aus den USA – aus der mit geringem Aufwand auch Benzin hergestellt werden kann – ist am Montag erstmals in der Geschichte sogar ins Minus gefallen. Der Preiseinbruch ist beispiellos. War ein Barrel am Freitag noch 18.27 Dollar wert, stürzte der Preis gestern um 56 Dollar auf ein Minus von 37.63 Dollar. Das Minus von 56 Dollar bedeutet ein Preissturz von 306 Prozent. Das führt sogar dazu, dass die Rohölhändler die Abnehmer dafür bezahlen, dass sie ihnen das Rohöl überhaupt abkaufen.

Der dramatische Absturz hängt damit zusammen, weil heute Dienstag die sogenannten Terminverträge für die Lieferungen für den kommenden Monat Mai auslaufen. Weil die Lager voll sind ist aber fast niemand bereit, Rohöl mit einem Vertrag zu kaufen der heute fällig ist. Diese sogenannten Future-Contracts gibt es seit 1983, einen solchen Tiefpunkt gab es noch nie.

Jedoch sind nicht alle Rohölsorten von dieser Krise gleich heftig betroffen. Die wichtigste europäische Ölsorte Brent verlor gestern lediglich 8,9 Prozent und fiel auf 25,57 Dollar pro Barrel. Das liegt daran, dass die Brent-Lager noch nicht so voll sind wie jene des US-Öls WTI, das in Cushing im Bundesstaat Oklahoma gelagert wird, Amerikas wichtigstem Lagerzentrum und Lieferpunkt des West Texas Intermediate-Kontrakts.

Steigende Arbeitslosigkeit führt zusätzlich zu einem Nachfragerückgang

Ausserdem ist Brent ein Rohöl, das vor allem auf den Weltmeeren per Schiff transportiert wird und deshalb in Weltgegenden befördert werden kann, wo die Nachfrage derzeit noch grösser ist als beispielsweise in den USA. «Brent kann auf Schiffe verladen und sofort um die Welt transportieren werden. Die Lagertanks in Cushing werden jedoch im Mai voll sein», sagt Amrita Sen von der unabhängigen US-Energieberatungsfirma Energy Aspects gegenüber der Financial Times.

Alleine in den vergangenen vier Wochen seit Ausbruch der Krise haben sich in den USA mehr als 22 Millionen Menschen neu als arbeitlos gemeldet. Das ist der höchste Stand in der Geschichte der USA. Dies dürfte dazu führen, dass Amerikaner in den kommenden Monaten weniger Auto fahren, was folglich die Nachfrage nach Öl- und Benzin zusätzlich verringern dürfte. Der selbe Effekt – das Beratungsunternehmen McKinsey erwartet einen Verlust von 59 Millionen Arbeitsplätzen in der EU – dürfte auch in Europa spürbar sein.

Aussrdem war der tiefe Fall des Ölpreises die Folge von Verhandlungen zwischen US-Präsident Donald Trump, Russland und Saudi-Arabien, in denen Trump die beiden Länder aufforderte, ihre Ölproduktion um 10 bis 15% zu kürzen.

Welche Folgen hat die aktuelle Entwicklung auf die Umwelt?

Umweltschützer und Trump-Kritiker sagen, der zusammenbrechende Ölmarkt sei nicht ein Problem das durch Stützungsmassnahmen der Erdölindustrie gelöst werden könne. Im Gegenteil. Die Erdölindustrie befinde sich seit Jahren im Niedergang und alle Steuergelder, die zur weiteren Stützung des Energiesektors verwendet würden, seien reine Geldverschwendung.

Für den amerikanischen Energie- und Klima-Experten David Roberts ist der Preiszerfall nicht in erster Linie eine Folge des Coronavirus, sondern hängt mit Fracking zusammen. Diese umweltbelastende Fördermethode für Öl und Ergas habe eine Überproduktion zur Folge die zu einer «Angebotsschwemme, niedrigen Preisen und einem sich anhäufenden Lagerüberschuss» führe. Ausserdem seien auch die milden Winter in den USA und Europa in den vergangenen Jahren für die Ölkrise dafür verantwortlich.

Corona legt Mängel von Wirtschaft und Gesellschaft offen

Klimaschützer fordern weltweit seit Jahren, die Erdöl- und Gasindustrie zu verstaatlichen, damit einerseits die Energieversorgung für die USA und Europa gedeckt werden und die CO2-Emissionen mit Blick auf eine Nullemissions-Wirtschaft gesenkt werden kann.

Die Coronakrise legt ein Mangel des aktuellen Wirtschaftssystems nach dem anderen offen. Die Verletzlichkeit des Gesundheitswesens, die fragilen globalen Lieferketten und nun auch die grundlegenden Schwächen der Öl-Industrie. «Im besten Fall können politische Entscheidungsträger (in den USA) den Übergang zu sauberer Energie ein wenig verlangsamen. Sie können ihn aber nicht aufhalten», schreibt Roberts.

Sobald das Schlimmste der Krise überwunden und das Virus mit einem Impfstoff einigermassen unter Kontrolle ist, dürfte es zu einem Rebound-Effekt kommen, bei dem die jetzt durch den globalen Lockdown eingesparten CO2-Emissionen anschliessend wieder aufgeholt und sogar noch übertroffen werden könnten.

Gerade deshalb ist es wichtig, jetzt bereits die nötigen Massnahmen hin zu einer Postcarbon-Wirtschaft politisch und gesellschaftlich vorzubereiten. Solange Trump Präsident ist, kann von den USA hinsichtlich einer nachhaltigeren Umwelt nicht viel – eigentlich gar nichts – erwartet werden. Umso wichtiger ist es, dass die EU und die Schweiz die Führungsrolle übernehmen und auch Staaten auf dem afrikanischen und südamerikanischen Kontinent sowie China mit ins Boot holen.

Der Weg in eine Nullemissions-Gesellschaft war noch nie so nahe und realistisch wie jetzt während der Coronapandemie.

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