Footprint: Flug Zürich – London macht lebenslanges Pet-Sammeln zunichte

Die Erde ist der Spielball der Menschen. Wie lange noch? Am heutigen 8. Mai hat die Schweiz ihren Overshoot Day erreicht. Bild phb
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Pet-Flaschen recyceln und Aluminum sammeln ist gut und recht. Es reicht aber nicht. Die Schweiz verbraucht noch immer zu viele Ressourcen. Ganze drei Erden braucht das Land für seinen Lifestyle. Die erste dieser drei Erden ist mit dem heutigen Overshoot Day aufgebraucht. Um wirklich etwas zu ändern, braucht es engagiertes politisches Handeln. – Philipp Bürkler

Mit dem heutigen Tag hat die Schweiz alle Ressourcen verbraucht, die dem Land eigentlich für das gesamte Jahr zustünden. Der Overshoot Day ist ein trauriges Zeichen für den exzessiven Ressourcenverschleiss und den enormen ökologischen Fussabdruck von Industrieländern wie der Schweiz.

Global gesehen liegt die Schweiz am Ende des ersten Drittels. Das Emirat Katar auf der arabischen Halbinsel führt die traurige Liste an. Das Land hatte bereits am 11. Februar alle Ressourcen verbraucht. Katar braucht also fast vier Erden, um den Lebensstandard seiner Einwohner zu decken.

Katar gilt als das Land, das pro Kopf weltweit am meisten CO2 ausstösst. Jeder der 2.7 Millionen Bewohner stösst jährlich rund 31 Tonnen Kohlenstoffdioxid aus. Zum Vergleich. Die 8.5 Millionen Einwohner der Schweiz verbrauchen pro Kopf rund vier Tonnen, in Deutschland (83 Millionen Einwohner) sind es etwa sieben Tonnen CO2 pro Kopf. Krasser wird der Vergleich, wenn man bedenkt, dass die Fläche Katars etwa drei Mal kleiner ist als die der Schweiz und fast 31 Mal kleiner als die Fläche Deutschlands. Katar ist nicht nur der grösste globale Umweltsünder, sondern belegt auch einen der hintersten Plätze im globalen Demokratieranking.

In Europa heisst der grösste Umweltverschmutzer Luxemburg. Die weniger als 700’000 Einwohner des wohlhabenden europäischen Landes haben ihre Ressourcen bereits am 16. Februar aufgebraucht. Die USA hatten ihren Overshoot-Day am 14. März und Deutschland hat seine Ressourcen für 2020 vor fünf Tagen, am 3. Mai, aufgebraucht.

Ganz am Schluss kommt Kirgistan. Die rund 6.2 Millionen Einwohner des zentralasiatischen Binnenlandes werden ihre Ressourcen für 2020 erst am 26. Dezember aufgebraucht haben. Das liegt aber nicht daran, dass Kirgistan sehr umweltfreundlich handelt. Der tiefe CO2-Ausstoss liegt vor allem an der geringen Wirtschaftsleistung und dem dadurch tieferen durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von rund 140 Euro/Franken pro Monat.

Die tiefen Einkommen in Ländern wie Kirgistan haben einen viel geringeren Konsum zur Folge, verglichen mit Industrieländern wie der Schweiz oder Deutschland. Ausserdem leben die Menschen in Kirgistan vorwiegend noch immer in bäuerlichen und mehrheitlich armen Verhältnissen. Der CO2-neutrale Rohstoff Holz ist dort noch immer einer der wichtigsten Energieträger in Industrie und Haushalt.

Energieträger in Industrie und Haushalt.Der globale Overshoot Day lag 2019 übrigens am 29. Juli. Für dieses Jahr steht der Tag noch nicht fest.

Quelle: overshootday.org

Die Schweiz braucht ab heute die zweite von insgesamt drei Erden

Die Schweiz hat ihren Overshoot Day heute erreicht. Ab heute bräuchten die Bewohner also eine zweite Erde, um alle Ressourcen zu decken, die für den hohen Lebensstandard und den hohen Swiss-Lifestyle nötig sind. Bis zum Jahresende kommt nochmals eine weitere Erde hinzu. Zwei Erden extra also, die es gar nicht gibt.

Die Schweiz braucht drei Erden, obwohl die Bevölkerung wahrscheinlich Weltmeister ist im Sammeln und Recyceln von Pet-Flaschen, Aluminium, Glas und Papier. Rohstoffe zu trennen und in die Sammelstellen zu bringen reiche aber bei Weitem nicht, sagt Corina Gyssler, Kommunikationsberaterin für Konsum, Wirtschaft und internationale Projekte beim WWF Schweiz.

Viele Menschen hätten eine etwas verschobene Wahrnehmung und glaubten, mit Recycling würden sie eine enorme Umweltleistung erbringen. «Ein Leben lang Pet-Flaschen sammeln nützt nichts, wenn man diese Umwelthandlung mit einem Weekend-Flug von Zürich nach London wieder kaputt macht», erklärt Gyssler. Auch der Fleischkonsum trage zur schlechten Umweltbilanz der Schweiz bei, da die Erzeugung von Fleisch sehr Land- und energieintensiv sei.

Die Coronakrise wäre eigentlich der richtige Zeitpunkt, jetzt endlich umzudenken und eine ökologische Gesellschaft zu gestalten. Freiwilligkeit der einzelnen Menschen und eine Sensibilisierung auf Nachhaltigkeit sei aber schwierig und dauert oft Jahrzehnte, sagt Gyssler. «Rascher kann eine ökologische Gesellschaft nur durch politische Massnahmen erreicht werden.»

Gyssler nennt als Beispiele Glühbirnen oder Kühlschränke. Erst durch neue Gesetze wurden alte Glühbirnen, bei denen rund 97 Prozent der Energie als Abwärme verpufft, durch effizientere Leuchtmittel ersetzt. Das gleiche auch bei Kühlschränken. Erst auf politischen Druck wurden umweltbelastende Geräte aus dem Markt genommen und durch energieeffizientere Modelle ersetzt.

Allerdings mangelt es in der Politik oft an verbindlichem Handeln in Richtung Nachhaltigkeit. Die fehlende Verknüpfung von Umweltauflagen an die Rettung der Fluggesellschaft Swiss im Schweizer Parlament anfangs dieser Woche, bestätigt den Unwillen für klimapolitische Verbindlichkeit.

Technologisch wären Länder wie die Schweiz eigentlich bestens vorbereitet auf den Wandel. Umweltfreundlichere Technologien wie Solar- und Windenergie, Geothermie, E-Mobilität oder Wärmeheizungen müssten nur vermehrt eingesetzt werden.

Die Politik setzte für diese Technologien allerdings zu wenig Rahmenbedingungen, erklärt Gyssler. «Beispielsweise müssten bei einem Ersatz von Heizungen künftig Öl- und Gasheizungen verboten werden und durch klimafreundliche Systeme wie Wärmepumpen ersetzt werden.»

Massnahmen für die Reduzierung des ökologischen Fussabdrucks

  • weniger Konsum, bzw. mehr langlebige Güter kaufen
  • weniger Lebensmittelverschwendung (Foodwaste)
  • weniger Flugreisen
  • weniger Stromverbrauch
  • weniger Autoverkehr
  • weniger Fleischkonsum, mehr pflanzliche Lebensmittel
Die Ressourcen und Ökosysteme der Erde werden weggekickt und mit Füssen getreten wie ein Fussball. Bild: phb

Genau deshalb ist es nun wichtig, die «Verlangsamung» der Gesellschaft, wie wir sie seit dem Corona-Lockdown kennen, künftig so gut es geht beizubehalten. Dazu gehören:

  • Öffentliche Verkehrsmittel anstatt motorisierter Individualverkehr
  • Home Office anstatt Pendeln

Individuelles und vor allem politisches Umdenken und Handeln sind gefragt, um den ökologischen Fussabdruck der Schweiz – aber auch aller anderen Länder – zu reduzieren. Es macht auch keinen Sinn, ernsthaft nach einem Exoplaneten – nach einer «zweiten Erde» – im Universum zu suchen. Erstens, wissen wir noch nicht, ob es einen solchen Planeten überhaupt gibt auf dem ähnliche ökologische Bedingungen herrschen wie auf der Erde, zweitens, wäre dieser Planet sowieso um hunderte oder tausende Lichtjahre weit von uns entfernt. Zu weit, um ihn überhaupt jemals erreichen zu können. Deshalb sollten wir hier – auf dem blauen Planeten Erde – beginnen, eine nachhaltigere und resilientere Gesellschaft zu bauen.


Wie hoch ist dein ökologischer Fussabdruck? Wieviele Erden brauchst du? Hier geht es zur Berechnung.

2 Gedanken zu „Footprint: Flug Zürich – London macht lebenslanges Pet-Sammeln zunichte“

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