New York City macht auf seinen Brücken Platz für Fahrräder

Die «leere» Brooklyn Bridge am frühen Morgen: Die beiden schmalen Streifen teilen sich Fussgängerinnen und Radfahrer. Ab Ende Jahr gehört der Platz alleine den Fussgängern, während Radfahrer:innen im unteren Bereich eine Autofahrspur erhalten. Foto: phb
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Weniger Platz für Auto, dafür mehr Platz für Fahradfahrer:innen. New York City macht einen weiteren Schritt in Richtung einer ökologischen Zukunft. Bürgermeister Bill de Blasio hat diese Woche angekündigt, auf der Brooklyn Bridge und der Queensboro Bridge jeweils eine Autospur für Radfahrer zu öffnen. Durch meine eigene Erfahrung als Velofahrer in New York weiss ich, dass ich eine gute Entscheidung.

New York City ist die Stadt des Chaos. Chaos vor allem auf den Strassen. Überall hat es Menschen, überall hat es Autos. Der Verkehr in der Stadt gleicht fast täglich einem Kollaps. Kein Wunder. Das rund 10.000 Kilometer lange Strassennetz der Stadt ist vor allem für den motorisierten Individualverkehr konzipiert. Täglich fahren Hunderttausende Menschen mit dem Auto in die Stadt hinein und abends wieder hinaus.

Während es von der Westseite – also von New Jersey – einen Tunnel gibt, gelangt man von Osten nur über Brücken nach Manhattan. Alleine auf der Brooklyn Bridge – der wohl bekanntesten Brücke der Stadt – verkehren täglich mehr als 125.000 Fahrzeuge. Daneben gibt es noch die Manhattan Bridge, die Williamsburg Bridge oder die Queensboro Bridge. Über diese Brücken fahren täglich weitere Hunderttausende Fahrzeuge.

Zwischen 2012 und 2015 habe ich selbst in New York City gelebt. Genauer gesagt im Stadtteil Brooklyn. Wer kein Auto hat oder sich die Tortur nicht antun möchte, hat zwei Möglichkeiten, um nach Manhattan in die City zu gelangen. Entweder nimmt man die überfüllte Subway oder man fährt mit dem Fahrrad, wie ich das meistens getan habe.

Bei der Brooklyn Bridge beispielsweise wird der Fahrradverkehr oberhalb des Autoverkehrs über eine eigene Rampe geleitet. Diesen Weg teilen sich die Radfahrer dort allerdings mit den Fussgängern. Gerade weil es auf der Brücke sehr viele Touristen hat, kommt man mit dem Rad – und auch als Jogger – praktisch nicht vorwärts, weil ständig fotografierende Menschen im Weg stehen. Man kann den Touristen aber nicht wirklich böse sein, es ist nämlich ganz einfach zu eng für Radfahrer:innen und Fussgänger:innen.

Dieses Video zeigt anschaulich den Horror, dem Radfahrer:innen täglich auf der Brooklyn Bridge ausgesetzt sind im Konflikt mit Fussgänger:innen.

Die von der New York Times veröffentlichte Ankündigung des New Yorker Bürgermeisters Bill de Blasio, bei der Brooklyn Bridge und der Queensboro Bridge bis Ende Jahr jeweils eine Autospur für Radfahrer frei zu geben, ist deshalb gleich doppelt eine gute Nachricht. Einerseits wie erwähnt, kommt es so künftig zu weniger Konflikten zwischen Fussgängern/Touristen und Radfahrern. Andererseits macht die Stadt damit einen wichtigen Sprung ins 21. Jahrhundert zu einer ökologischen und auf den Langsamverkehr fokussierten Stadt.

Eine Illustration der Stadtbehörden des Bürgermeisters zeigt den vorgeschlagenen geschützten Radweg auf der Brooklyn Bridge. Bild: Eine Illustration aus dem Büro des Bürgermeisters zeigt den vorgeschlagenen geschützten Radweg auf der Brooklyn Bridge. Quelle: Office of the Mayor

Bürgermeister Bill de Blasio sagte gestern bei der Ankündigung des Vorhabens, er wolle die beiden Brücken «ins 21. Jahrhundert bringen und die Vision einer Zukunft ohne Autos mit einem radikalen und umfassenden neuen Plan» starten. Der Plan ist auch die Folge von Covid-19, da seit Beginn der Pandemie weniger Autos auf den Brücken und Strassen New Yorks unterwegs sind und Fussgänger:innen sowie Velofahrer:innen mehr Platz brauchen. Covid-19 bietet New York City – wie so vielen anderen Städten auch – die Chance, ihre vom Verkehr verstopften Strassen zu befreien und dem Langsamverkehr endlich mehr Raum zu geben.

Die 1883 eröffnete Brooklyn Bridge und die 1909 eröffnete Queensboro Bridge wurden beide noch vor dem Zeitalter des motorisierten Individualverkehrs gebaut. Tatsächlich wurden die beiden Brücken vor dem Autozeitalter sogar von mehr Menschen überquert als heute. Autos brauchen einfach zu viel Platz im öffentlichen Raum, während sie verhältnismässig wenig Platz bieten für Passagiere.

Wie gefährlich New York City für Radfahrer:innen ist, durfte ich auch selbst einmal erleben. In Brooklyn bin ich einmal fast auf einer Kühlerhaube eines Autos gelandet, weil mich der Autofahrer nicht gesehen hat. Oft werden Radwege in der Stadt auch von rcksichtslosen Autfahrer:innen versperrt. Der Twitter-Kanal Reported NYC sammelt diese Vorfälle.

New York City hat noch einen weiten Weg, die Strassen für Fussgänger und Radfahrer sicherer zu machen. Die Installation von Fahrradspuren auf den beiden meistbefahrenen Brücken zwischen Brooklyn, Queens und Manhattan, ist ein bedeutender Fortschritt für die rund 1.6 Millionen Radfahrer:innen der Stadt.

Und es ist auch ein deutliches Signal an andere Städte in den USA und der ganzen Welt. Ein deutliches Signal, das grossen Einfluss haben dürfte auf die Stadtlanung des 21. Jahrhunderts rund um den Globus. Die Botschaft ist klar: Die Städte des 21. Jahrhunderts gehören den Fussgänger:innen und Radfahrer:innen. Das Auto – ein Relikt aus dem 20. Jahrhundert – hat da definitiv keinen Platz mehr.


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