Naturkapital gehört in die Buchhaltung. Oder welchen Wert hat Natur eigentlich?

Natur ist nicht einfach ein wirtschaftliches Gut. Sie ist für uns Menschen überlebenswichtig und wir sind Teil von ihr. Foto: phb
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Der Mensch beutet die Natur aus. Aktuell brauchen wir 1.6 Erden. Anstatt die Ökosysteme zu schützen, geben Regierungen auf der Welt vor allem Geld aus, um die Natur auszubeuten. Der Wirtschaftswissenschaftler Partha Dasgupta aus Bangladesch, versucht in seinem neuesten Report der Natur einen ökonomischen Wert zu geben. Der Professor fordert einen nachhaltigeren Umgang mit der Natur und sagt, wie die Menschheit es schaffen kann, Biodiversität und Wohlstand gleichermassen erhalten und zu mehren.

«Unsere Wirtschaft, unser Lebensunterhalt und unser Wohlbefinden hängen alle von unserem wertvollsten Gut ab: der Natur. Wir sind Teil der Natur, nicht getrennt von ihr.» Mit diesen Worten beginnt ein kürzlich veröffentlichter *Bericht des Wirtschaftswissenschaftlers Partha Dasgupta über die Ökonomie der biologischen Vielfalt.

Die biologische Vielfalt nimmt derzeit schneller ab, als jemals zuvor. Wir stehen vor einem sechsten Massenaussterben. In den vergangenen 50 Jahren sind die Populationen von Säugetieren, Vögeln, Fischen, Reptilien und Amphibien im Durchschnitt um fast 70 Prozent zurückgegangen. Rund eine Million weitere Arten sind vom Aussterben bedroht. Etwa 25 Prozent aller bisher von Wissenschaftler:innen katalogisierten Tier- und Pflanzenarten sind mittlerweile verschwunden. 

Dasgupta hat deshalb versucht, den Ökosystemen einen ökonomischen Wert zu geben, um den Artenverlust in einen wirtschaftlichen Rahmen zu setzen und gleichzeitig aufzuzeigen, wie wir Menschen ein nachhaltiges Leben führen können. «Unsere Ansprüche übersteigen bei weitem die Kapazität der Natur, uns mit den Gütern und Dienstleistungen zu versorgen, auf die wir alle angewiesen sind. Wir bräuchten 1.6 Erden, um den derzeitigen Lebensstandard aufrechtzuerhalten», erklärt Dasgupta im Bericht, der vom britischen Finanzministerium finanziert wurde. 

Jede Regierung auf der Welt behauptet, Natur- und Umweltschutz aktiv zu fördern. Die Realität sieht gemäss Bericht jedoch anders aus. Ausbeutung kommt in der Regel vor Schutz. Mit fatalen ökonomischen Kosten. Dasgupta schätzt den ökonomischen Verlust durch Ausbeutung der Ökosystem wie Ölbohrungen, Waldrodungen, Überfischung oder CO2-Ausstoss durch die Industrie und den Verkehr auf jährlich etwa vier bis sechs Billionen Dollar. Aktiv in Umwelt- und Naturschutz investiert werden demnach jährlich aber lediglich 78 bis 143 Millionen Dollar. Das ist ein Klacks – 0.1 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung – im Vergleich zur Vernichtung der Ökosysteme und der Artenvielfalt. 

«Die Wachstums- und Entwicklungstheorien, die unsere Vorstellungen über den Fortschritt und Rückschritt von Nationen geprägt haben, erkennen die Abhängigkeit der Menschheit von der Natur nicht an», sagt Dasgupta in seinem Report. Stetiges Wirtschaftswachstum führe deshalb zum ökologischen und klimatischen Kollaps. 

Viele Ökosysteme, von tropischen Wäldern bis hin zu Korallenriffen, sind bereits irreparabel geschädigt oder stehen kurz davor, den Kipppunkt zu erreichen, was, so Dasgupta, «katastrophale Folgen für unsere Wirtschaft und unser Wohlergehen haben könnte». Er warnt auch, dass Covid-19 «nur die Spitze des Eisbergs» von pandemischen Krankheiten sein könnte, die grösstenteils durch die Zerstörung der Natur verursacht werden.

Um die ökologischen und sozialen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu bewältigen, schlägt er verschiedene Massnahmen vor, mit denen der ökologische Fussabdruck verringert und die Regenerationsfähigkeit der Ökosysteme erhöht werden könnten.

  • Der Mensch ist Teil des globalen Ökosystems: Unser Umgang mit den Ökosystemen gefährdet den Wohlstand unserer und zukünftiger Generationen. Wenn die Ökosysteme zusammenbrechen und von Insekten keine Bestäubung mehr stattfindet, wird es für uns Menschen nicht mehr möglich sein, Nahrungsmittel zu produzieren.
  • Schutz von Ökosystemen hat Priorität: Dasgupta sieht als Lösung die 30/30-Regel. Demnach sollen bis 2030 30 Prozent der Erdoberfläche (Wasser und Land) unter Schutz gestellt werden. Bis heute ist beispielsweise erst ein Prozent der Ozeane geschützt. 
  • Land muss anders genutzt werden: Mit gentechnisch veränderten Pflanzen kann laut Dasgupta die Menge der Erträge erhöht und die Folgen des Klimawandels gelindert werden. Gleichzeitig sieht er in der sogenannten Präzisionslandwirtschaft (Precision Farming) eine Möglichkeit, den Anbau von Nahrungsmitteln zu erhöhen. Ohne den Verzicht auf Fleisch gehe das allerdings nicht, weil heute 80 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen für Schlachttiere verwendet werde. 
  • Bald 8 Milliarden Menschen: Damit sich das Wachstum der Weltbevölkerung verlangsamt seien Zugang zu Bildung bereits im Vorschulalter wichtig sowie Verhütungsmittel und zeitgemässe Familienplanung notwendig, um die Geburtenraten zu senken. 
  • Ende des Bruttoinlandsproduktes: Volkswirtschaften alleine durch das Wachstum und des Bruttoinlandsproduktes zu messen, hat gemäss Dasgupta keine Zukunft. Wichtig sei es, mit einem sogenannten «inklusiven Wohlstand» den Wert der Natur in die Berechnung von Volkswirtschaften miteinzubeziehen.
  • Abkehr vom Markt: Unsere Konsumgüter spiegeln nicht den tatsächlichen Wert wider, weil die Ausbeutung und der Verbrauch von natürlichen Ressourcen bisher nicht mitgerechnet wurden. 
  • Bessere Bildung im Bereich Umwelt- und Ressourcen: Bereits Kinder müssten über den Zustand der Erde und die Folgen der menschlichen Aktivitäten Bescheid wissen.

Der Bericht dient vor allem als Mahnung für den im Mai stattfindenden Umweltgipfel der Uno im chinesischen Kunming. Ob der Gipfel dieses mal tatsächlich etwas bringt, ist fraglich. Zu viele Gipfel und Konferenzen hat es in den vergangenen 50 Jahren gegeben und das Ergebnis war stets vernichtend. Vielleicht sind aber die ökonomischen Berechnungen von Partha Dasgupta ein Augenöffner für einige Politiker:innen und Regierungschefs. Wenn es ums Geld geht, wird meistens gehandelt. Traurig aber wahr.

*Die britische Regierung wird den gesamten Bericht heute Nachmittag präsentieren.

2 Gedanken zu „Naturkapital gehört in die Buchhaltung. Oder welchen Wert hat Natur eigentlich?“

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