Essay: Zukunft ist ein soziales Projekt, kein technologisches

Rauchende Schornsteine während der industriellen Revolution bedeuteten den Beginn der heutigen Klimakatastrophe. Kein Bild erzählt mehr über diese Epoche als Eduard Biermanns Ansicht der Berliner Borsigwerke von 1847. Quelle: wikimedia
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Die Menschheit befindet sich im grössten Umbruch ihrer mehrere Hunderttausend Jahre andauernden Geschichte. Das 21. Jahrhundert dürfte – wenn wir es denn schaffen – als Epoche in Erinnerung bleiben, in der wir den Grundstein gelegt haben für alle zukünftig auf der Erde lebenden Menschen. Das bedeutet, dass wir Zukunft vor allem als zivilisatorisches Projekt verstehen müssen und weniger als technologische Herausforderung.

Wir Menschen des 21. Jahrhunderts müssen gewissermassen jene Probleme ausbaden, welche uns die Menschen des 19. und 20. Jahrhunderts uns «eingebrockt» haben. Die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert wurde nur möglich, weil die Menschen riesige Ölvorkommen gefunden und die nötige Technologie entwickelt haben, um damit Autos auf Strassen zu bewegen und Maschinen in Fabriken zu betreiben.

Die Menschen im 20. Jahrhundert wiederum haben von diesen Erfindungen wie niemand zuvor profitiert. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg waren fossile Brennstoffe wie Öl ausschlaggebend für die das Gelingen einer prosperierenden Wirtschaft und einsetzenden Massenkonsumkultur.

Wir Menschen des 21. Jahrhunderts wissen, dass fossile Brennstoffe die in Form von Treibhausgasen in die Atmosphäre gelangen, extrem schädlich sind und das globale Klima aufheizen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir etwas dagegen tun müssen. Der institutionelle Rahmen dafür ist das Pariser Klimaabkommen von 2015, das vorsieht, die Erwärmung auf 1.5 Grad zu begrenzen.

Die gesellschaftliche und politische Debatte rund um die Klimaerhitzung verläuft aber noch zu oft über technologische Innovation. Noch zu oft gehen wir davon aus, dass sich durch innovative Technologien, das Problem der Klimaveränderung dann schon irgendwie von selbst lösen wird. Dieser Technologie-Optimismus ist aber ein Irrtum.

Technologie kann uns lediglich dabei helfen, die Gesellschaft ökologische nachhaltiger zu gestalten, sie ist aber nicht die Lösung für das Problem. Ein weiteres Problem ist, dass Technologie – vor allem aus den USA und China – nur von einer verhältnismässig kleinen Gruppe von Menschen entwickelt wird, die Auswirkungen aber alle Menschen betreffen.

Nehmen wir als Beispiel Facebook. Mark Zuckerberg hat als Student 2004 ein Netzwerk entworfen, das heute den Alltag von Milliarden von Menschen auf dem Planeten gestaltet und dominiert. Seine Technologie hat nicht nur unser soziales Verhalten verändert, sondern auch die Art und Weise, wie wir denken und die Welt wahrnehmen. 

Tatsächlich sollten wir Technologie bei der Gestaltung einer nachhaltigen und ökologischen Zukunft und der Bewältigung der Klimakrise jedoch lediglich als Instrumente, als Hilfsmittel,  betrachten. Gerade weil die Debatte – beispielsweise bei der Klimaerhitzung – in den vergangenen Jahren zu sehr auf technologische Lösungen fokussiert hat und uns Expertinnen und Experten in den Medien täglich erzählen, welche Massnahmen wir unternehmen müssten, um eben jene Probleme zu lösen, haben viele Menschen das Vertrauen in die Demokratie und Mitentscheidung verloren. Eine Art Lähmungserscheinung hat sich eingestellt. 

Bei den Menschen regt sich Widerstand, der kontraproduktiv ist angesichts des knappen Zeithorizonts, der zur Lösung von ökologischen und sozialen Problemen zur Verfügung steht. Es ist für die Menschen teilweise nur schwer verständlich, weshalb einige wenige Menschen (Expertinnen und Experten) angeblich wissen, wie wir zu leben haben und wie Zukunft aussehen könnte. Man kann es auch Demokratiekrise nennen.

Weil wir uns an Technologien im Alltag gewöhnt haben – und sie angeblich auch immer besser werden – glauben wir mittlerweile daran, Technologie als universellen Problemlöser , zu verstehen. Wir delegieren sozusagen die Aushandlung und Gestatung von Zukunft an Technologien wie Maschinen, Künstlichen Intelligenzen oder Roboter.

Die grosse Herausforderung des 21. Jahrhunderts ist es demnach, Zukunft möglichst demokratisch zu gestalten und als gemeinsamen Prozess zu begreifen. Das bedeutet, dass wir Zukunft als Zivilisation gemeinsam angehen müssen und sie nicht einer Techno- und Expertokratie überlassen dürfen.

In der gesamten Debatte um den sozial-ökologischen Wandel geht oft vergessen, dass wir Menschen eine Zukunft für uns Menschen gestalten. Es besteht der Eindruck, Technologie diene als Wachstums Antrieb für ökonomische Interessen. Dabei geht es vielmehr um die Gestaltung der Zukunft aller jetzt lebenden Menschen, egal wo auf der Erde sie geboren wurden. Und es geht aber auch darum, eine Zukunft zu gestalten für alle Menschen, die erst in 100, 200, 500 geboren werden. Diese Zeitdimension geht in der Debatte oft unter, weil wir alle zu fest im Jetzt leben und in ökonomischen Wachstumskriterien denken und das was nach uns kommt, oft vergessen. 

Zukunft ist also kein technologisches Phänomen, sondern ein zivilisatorisches und kulturelles Projekt. Wir sind uns oft nicht bewusst, welche Bedeutung unser jetziges Handeln für uns und künftige Generation hat. , weil wir Zukunft noch immer in ökonomischen Wachstumskategorien verstehen.

Wir dürfen nicht die gleichen Fehler machen wie die Menschen im 19. Jahrhundert, als Technologien die Lösung für den Mangel von ökonomischem Wachstum und als Beseitigung gesellschaftlicher Probleme gesehen wurden. Im 21. Jahrhundert sollten wir Künstliche Intelligenzen, Roboter und das Internet als Werkzeuge für eine nachhaltigere und demokratische Zukunft verwenden. Gestalten müssen wir die Zukunft, gemeinsam. Eine Zukunft, die für alle Menschen Teilhabe und Gleichheit bedeutet.

Wenn wir diese zivilisatorische Herausforderung schaffen und gleichzeitig die Klimaerhitzung auf 1.5 Grad begrenzen können, wird das 21. Jahrhundert als Epoche in Erinnerung bleiben, in der wir den Grundstein für die kommenden Jahrhunderte (Jahrtausende?) gelegt haben werden. Verantwortung übernehmen im 21. Jahrhundert bedeutet eben nicht nur kurzfristig an sich selbst, sondern mit weitem Horizont auch an die Menschen in ferner Zukunft zu denken.

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