«Wachstum ist schlecht.» Und jetzt wiederholt diesen Satz alle 100 Mal!

Die Menschheit ist gefangen in der Wachstumsfalle. Wachstum gilt als etwas, das unbegrenzt ist und immer weitergeht. Es wird Zeit, dieses Denkmuster zu überwinden und dem Wachstum Grenzen zu setzen. Bild: phb
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Wachstum wird uns bereits als Kinder in der Schule vermittelt. Wachstum ist gut. Kein Wachstum ist schlecht, so das Narrativ. Gerade jetzt in der Coronakrise sollten wir – und vor allem die Politik und Wirtschaft – endlich einsehen, dass auch negatives Wachstum positiv sein kann. Nach der Coronakrise geht es nicht um einen «Wiederaufbau» der Wirtschaft, sondern um einen Neu- und Umbau der wirtschaftlichen Strukturen. Hin zu weniger Wachstum. – Philipp Bürkler

Die Coronapandemie hat den weltweiten CO2-Ausstoss in den vergangenen Wochen drastisch reduziert. Das zeigen neu publizierte Zahlen von internationalen Forscher_innen im Wissenschaftsmagazin «Nature Climate Change».

So sind die CO2-Emissionen weltweit teilweise um einen Sechstel zurückgegangen. Im April lag der tägliche globale Ausstoss bis zu 17 Prozent unter dem Wert vom April 2019.

Die Pandemie hat gezeigt: Es ist möglich, den CO2-Ausstoss zu senken. Und es wurde klar, die Erde dreht sich auch weiter mit weniger rauchenden Fabriken, weniger Flugzeugen, weniger Verkehr und weniger Konsum.

Leider sind wir Menschen vom normativen Wachstums- und Leistungs-Narrativ geprägt, das von Medien, der Unterhaltungsindustrie und dem Bildungssystem oft unhinterfragt vermittelt wird. Wirtschaft, Konsum und Leistung sind die drei unumstösslichen Grundpfeiler der Gesellschaft.

Das Narrativ:

  • Wenn es der Wirtschaft schlecht geht, geht es allen schlecht.
  • Wenn du nicht konsumierst, geht es der Wirtschaft schlecht und du bist unglücklich, weil du nicht konsumierst.
  • Deine Leistung zählt, wir brauchen dich für ein wachsendes Bruttoinlandprodukt, BIP.

Bereits in der Grundschule werden Kinder darauf vorbereitet, im späteren Leben erfolgeich zu sein. Bereits Kinder werden auf Konsum trainiert. Mehr, mehr, mehr, schneller, schneller, schneller und weiter, weiter, weiter ist das Mantra. Wenn du nicht schneller kannst, bleibst du auf der Strecke und gehst leer aus.

Gerade weil wir seit der Kindheit permanent auf Wachstum «programmiert» wurden und nichts anderes kennen, ist ein gesellschaftlicher Kurswechsel für viele Menschen noch immer nicht vorstellbar. Regierungen haben in den vergangenen Wochen Milliarden in «die Wirtschaft» reingehauen, um «die Wirtschaft» zu stützen. Dabei geht es aber nicht um die Menschen, die in der Wirtschaft arbeiten, sondern um den Erhalt der Unternehmen als juristische Gebilde.

  • Staatliche Kredite und Hilfspakete werden nicht an ökologische Bedingungen geknüpft. Der Staat signalisiert: «Wir wollen doch bitteschön einfach so weitermachen wie bisher. Bitte stört uns nicht dabei.»
  • Hilfe erhalten nur KMU und Unternehmer, die bereits erfolgreich am «Markt» sind. Der Staat signalisiert: «Selber schuld, hättest dich vorher halt mehr anstrengen sollen. Du wärst ja auch ohne Krise bald pleite gegangen.»
  • Ideele Arbeit, Kunst und Kultur gehen bei Staatshilfen grösstenteils leer aus, weil sie kein «richtiges» Wachstum generieren. Der Staat signalisiert: «Kultur ist schön und gut, aber ihr seid weder systemrelevant noch lässt sich mit Kultur wirklich Geld verdienen.»

Letztendlich geht es vorallem um die Angst des Staats vor einem ökonomischen Abstieg im internationalen Wachstums-Wettbewerb mit anderen Staaten.

Dieses «Economy-Driven-Narrative» führte dazu, dass der Druck aus der Wirtschaft auf die Regierungen zu gross wurde und die Coronarestriktionen auch zu rasch wieder gelockert werden. Auch auf Konsumentenseite ist dieser Glaube an Wachstum und Konsum erkennbar: «Die Kundenfrequenz, die wir in den vergangenen Tagen erlebt haben, lässt sich mit einer Weihnachtswoche vergleichen», kommentiert ein Leiter eines Einkaufzenters stellvertretend den Konsumwahn nach den Coronalockerungen.

Paradox und widersprüchlich wird der Wachstumsglaube, wenn man das Vernetzte Denken beizieht. Bereits in der Schule wird von Jugendlichen vernetztes Denken erwartet. Wer nicht vernetzt denken kann, hat es schwer im Job oder Studium, so das Narrativ. In der Krise hat sich aber gezeigt, dass weder Politik noch Wirtschaftsvertreter vernetzt denken können, obwohl sie das von allen fordern.

Im einem vernetzten Denkprozess müsste man nämlich erkennen, dass die aktuelle Coronakrise konsequenterweise nur die Vorstufe kommender Krisen ist. Klimakrise, Biodiversitätskrise, Ungleichheitskrise, Mobilitätskrise etc.

Weder Regierungen (in der Schweiz der Bundesrat) noch «die Medien» haben sich in den vergangenen Wochen allerdings ernsthafte und vernetzte Gedanken über die Zukunft der Gesellschaft gemacht, noch haben sie eine Diskussion angestossen. Das Ziel war es lediglich, sofort wieder zurück in die angebliche «Normalität». Zurück in die sichere und bequeme Zone. Veränderungen sind eben auch anstrengend.

In Deutschland, bzw. der EU geistert derzeit der Begrif «Wiederaufbau» der Wirtschaft durch die Presse, so als ob wir nicht im Mai 2020, sondern im Mai 1945 lebten. Covid-19 ist und war kein Krieg und es gibt auch nichts «wiederaufzubauen». Ein «Wiederaufbau» bedeutet nichts anderes als ein Aufrechthalten des Status Quo, in dem Macht, Geld und Entscheide bei einigen wenigen konzentriert bleiben. Vernetztes Denken? Fehlanzeige.

Es geht also nicht um einen «Wiederaufbau», sondern vielmehr um einen Neu- oder Umbau der Wirtschaft, bzw. der Gesellschaft, hin zu mehr Nachhaltigkeit und Resilienz. Der Neu- und Umbau muss beinhalten:

  • eine Postcarbon-Gesellschaft mit 0 Prozent CO2-Emissionen bis spätestens 2050.
  • ein nachhaltiges Finanzsystem, das auf Commens und Gleichgewicht baut sowie ein Ende von Wettbewerb und Wachstum.
  • eine Reduzierung von finanzieller und materieller Ungleichheit zwischen Menschen sowie Staaten.
  • eine Stärkung demokratischer Prozesse, weg von Entscheidungen einiger weniger, hin zu Entscheidungen der Allgemeinheit.

Es ist auch dringend notwendig, dass eine breite gesellschaftliche Debatte über den Begriff Wachstums in Gang kommt. Wegen der Coronakrise wird das BIP in Deutschland dieses Jahr um etwa 6.3 Prozent einbrechen, in der Schweiz erwartet die Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH einen Rückgang des BIP von 5.5 Prozent. Das klingt jedesmal so, als ob die Welt untergeht, wenn das Wachstum nicht brav wächst, sondern für einmal schrumpft. Welch Tragödie.

Da sind wir wieder beim etablierten Narrativ. Eine gesellschaftliche Erzählung, die Wachstum als einzigen Massstab kennt, kommt mit der gegenteiligen Geschichte des Schrumpfens nicht klar. Negatives Wachstum wird normativ unhinterfragt als etwas Schlechtes angesehen. Politik, Wirtschaft und Medien transportieren dieses Narrativ und wiederholen es mantramässig:

«Negatives Wachstum ist schlecht.» «Negatives Wachstum ist schlecht.» «Negatives Wachstum ist schlecht.»….

Dabei hat der Rückgang der CO2-Emissionen und der Rückgang der Wirtschaftsleistung in den vergangenen Wochen gezeigt, dass ein solcher Rückgang gut für Mensch und Umwelt ist. Wir brauchen eben gerade eine schrumpfende Wirtschaft, um die Welt in einen besseren Zustand zu transformieren. Jetzt ist vernetztes Denken angebracht.

Dazu gehört ein Verstehen, dass es so nicht weitergehen kann, was – ausser Klimaleugner – eigentlich alle mittlerweile verstanden haben. Immerhin. Und zweitens braucht es aber auch ein Eingestehen, dass Wachstum nicht immer nur nach oben gehen muss. Auch negatives Wachstum kann positiv sein. Positiv für die Umwelt und für uns Menschen. Das ist das einzige was zählt. Es wird Zeit, dass wir als Gesellschaft diese Denkschwelle endlich überschreiten.

Und jetzt alle zusammen…

«Wachstum ist schlecht.» «Wachstum ist schlecht.» «Wachstum ist schlecht.» «Wachstum ist schlecht.» «Wachstum ist schlecht.» «Wachstum ist schlecht.» «Wachstum ist schlecht.» «Wachstum ist schlecht.» «Wachstum ist schlecht.» «Wachstum ist schlecht.» «Wachstum ist schlecht.» «Wachstum ist schlecht.» «Wachstum ist schlecht.» «Wachstum ist schlecht.» «Wachstum ist schlecht.» «Wachstum ist schlecht.» «Wachstum ist schlecht.»……..

Willkommen in der Post-Wachstumsgesellschaft.

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