Die Werbeindustrie ist schlecht für das Klima. Muss Werbung reguliert werden?

Chiyoda Akihabara in Tokyo. Die Welt ist zugepflastert mit Werbung. Die Botschaft: «Kauft!.» Foto: phb
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Damit die ökologische Krise bewältigt werden kann, braucht es eine neue Sprache. Im Journalismus, an Schulen, im Alltag und auch in der Werbung. Der heutige Black Friday zeigt eindrücklich, dass Werbung noch weit von diesem Wandel entfernt ist. Um eine Änderung herbeizuführen, sind politische Massnahmen und Verbote wahrscheinlich unumgänglich. Was beim Tabakverbot gilt, sollte auch bei Werbung für übermässigen Konsum Einzug halten.

Am heutigen Freitag geben Menschen Milliarden aus. Es ist Black Friday und Handelsketten locken mit angeblichen Schnäppchen. Weshalb ist das so? Die Antwort ist simpel. Werbung. Mit Werbung locken die Unternehmen die Kundinnen und Kunden in ihre Läden oder auf Online-Plattformen. Das Mantra lautet: Shopping, shopping, shopping…

Werbung kurbelt den Konsum an. Konsum sorgt wiederum für steigende Kaufkraft und Wachstum und damit zu mehr Wohlstand. So zumindest die Erzählung seit den 1950er-Jahren. Nur leben wir nicht mehr in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Werbung kurbelt heute weniger die Wirtschaft an, sondern sie schadet viel mehr der Umwelt und ist schlecht für das Klima.

In den 1950er- und 1960er-Jahren war es völlig «normal» immer und überall zu rauchen. Rauchen galt damals sogar als gesund und schick. «Der Mann von Welt raucht.» Heute wissen wir längst: Rauchen kann Krebs oder andere schlimme Krankheiten verursachen. In der Folge wurde Werbung für Tabakwaren immer mehr eingeschränkt oder verboten.

Hingegen bei Geländewagen oder dem Konsum von Fleisch darf noch immer geworben werden, als ob die Produkte weder für Menschen noch für die Umwelt gefährlich seien. Dabei ist es evident, dass Billigflüge und SUV schlecht sind für das Klima. Müsste Werbung in solchen bereichen also nicht auch reguliert oder sogar verboten werden?

Wie Verbote oder Regulative aussehen könnten, zeigt der britische Thinktank des New Weather Institute und der Wohltätigkeitsorganisation We are Possible. Die Organisationen empfehlen in einem Bericht, Werbung zu regulieren, weil sie indirekt zur Klimaerwärmung beitrage.

Gemäss den Forscher:innen ist die Förderung von Konsum und Materialismus durch Werbung schädlich für die Umwelt. Signifikante Beispiele sind Werbung für Fleisch, Tabak, SUVs oder Billigflüge. Während Regierungen bei Tabakwerbung mehrheitlich regulativ oder sogar mit Verboten einschreiten, darf für SUV weiterhin Werbung gemacht werden, obwohl sie nicht nur viel CO2 ausstossen, sondern auch eine Gefahr für Kinder und Fussgänger sind.

Werbung, so die Forscher:innen, steigere das Empfinden von Materialismus. Man müsse immer das Neuste haben, weil es angeblich im Trend liegt und es die Werbung den Menschen erzählt. Dabei bräuchte es einen Kulturwandel, der Konsum nicht mehr ins Zentrum stellt: Wichtiger wären viel mehr langlebige Güter oder auch das Reparieren von Geräten.

Offenbar ist in vielen Köpfen von menschen noch immer die Mentalität eingepflanzt, dass reparieren etwas sei, das man in den 1950er-Jahren gemacht habe, heute aber nicht mehr zeitgemäss sei. Genau solche Einstellungen gilt es zu korrigieren. Werbung kann da ein wichtiger beitrag leisten.

Noch immer wird für Fleisch – vor allem im Sommer zur Grillsaison – Werbung gemacht, als ob Fleisch ein unbedenkliches Produkt sei. Gemäss der Studie müsse die Werbeindustrie jedoch die virtuellen Kosten und Folgen für die Umwelt mit einberechnen. Die Herstellung von Rindfleisch benötigt enorm viel Wasser, zerstört Lebensräume für die Haltung der Tiere.

Ausserdem produzieren Rinder Methangas, das den CO2-Ausstoss ebenfalls erhöht. Für die Bewirtschaftung der Felder auf denen die Tiere grasen, kommen wiederum Chemikalien als Düngemittel zum Einsatz. Aber in der Fernsehwerbung heisst es noch immer ganz unbedenklich: «Schweizer Fleisch, alles andere ist Beilage.»

Die Werbeindustrie muss sich also verändern. Entweder sie tut das freiwillig, oder sie muss früher oder später durch regulation staatlich dazu verpflichtet werden. Werbung formt unser denken und animiert uns zu Konsum. Ein solch hohes Konsumvolumen verträgt sich aber nicht mehr mit den ressourcen des Planeten und dem Klima.

Die werbeindustrie muss ein Netto-Null-Ziel vor Augen haben. Am besten bis 2030. Mit gutem Beispiel voran geht Grossbritannien. Dort haben sich Teile der Werbeindustrie zur Kampagne Ad Net Zero zusammengefunden. Dabei sollen Werbekampagnen auf ihre CO2-Intensität überprüft werden, von der Entwicklung von Kampagnen über die Produktion bis zur Verteilung.

Neben Regulativen müsste endlich auch einmal intensiver darüber nachgedacht werden, was Werbung mit uns Menschen macht. Seit Jahren ist bekannt, dass die Werbeindustrie teilweise subtil mit psychologischen Tricks arbeitet, um die Menschen zum Kauf zu verleiten. Nicht umsonst wird in Zeitungen, Online-Magazinen oder Sendungen das Redaktionelle strikte von der Werbung getrennt. Hier die journalistischen Fakten, dort die «Lügen» und das «Manipulative» der Werbeindustrie.

Es ist zugleich ironisch, dass sich Medien seit ihren Anfängen auf inhaltliche Fakten als ihr Kerngeschäft beziehen, während sie gleichzeitig finanziell durch Werbeeinnahmen von einer höchst manipulativen Industrie abhängig sind.

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