Schweizer Klimaschutz ist ambitionslos. Aber besser als nichts

Die Schweiz hat die CO2-Emissionen erst um 14 Prozent reduziert gegenüber 1990. Bis 2030 soll der Ausstoss im Inland um 37.5 Prozent gesenkt werden. Bild: phb
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Die aktuelle Debatte zur Revision des CO2-Gesetzes im Schweizer Parlament zeigt: Der Ernst der Lage der Klimaerwärmung ist in Bern noch nicht angekommen. Anstatt zukunftsfähige Eintscheide zu fällen und wirklichen Klimaschutz zu betreiben, geht es einer Mehrheit der Politik vorallem um Wirtschaftsschutz. Immerhin sollen die Emissionen von CO2 bis 2030 im Inland um 37.5 Prozent gesenkt werden gegenüber 1990.

Seit dem Jahr 2000 gibt es in der Schweiz ein CO2-Gesetz. Seit 20 Jahren wird mittlerweile darüber debattiert, wie die CO2-Emissionen reduziert werden sollen. 2015 hat die Schweiz zudem das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet, welches die Staaten verpflichtet, die globale Erwärmung auf 1.5 Grad Celsius zu begrenzen

Die Erneuerung des 20-jährigen Gesetzes scheiterte im Nationalrat letzmals 2018. Damals hatte die SVP das Gesetz von vorneherein abgelehnt und es soweit verwässert, dass Grüne, Grünliberale und SP nicht mehr dahinterstehen konnten und sie das Gesetz schliesslich ablehnten. Nach einer Debatte im Ständerat im vergangenen Herbst, sollte die Diskussion im Frühling 2020 im Nationalrat fortgesetzt werden, musste aber wegen Covid-19 verschoben werden. Heute und gestern war es nun soweit.

In der Erneuerung des CO2-Gesetzes geht es vor allem um diese Punkte.

  • Gebäudesanierungen, Ölheizungen vs erneuerbare Energien. Der Nationalrat möchte, dass Hauseigentümer ab 2026 Ölheizungen bei einem Umbau ersetzen müssen. Ab 2023 soll eine dreijährige Übergangsfrist gelten bei Sanierungen von Altbauten.
  • Abgabe auf Flugtickets. Diese soll zwischen 30 Franken für Kurzstrecken und 120 Franken auf Langstreckenflügen betragen. Von der Abgabe sind auch Privatjets betroffen.
  • Aufteilung der Verminderung des CO2-Ausstosses – Inland vs Ausland
  • Erhöhung des Benzinpreises. Der Nationalrat folgt dem Ständerat. Bis 2024 soll der Liter Treibstoff um höchstens 10 Rappen verteuert werden, ab 2025 um bis zu 12 Rappen.
  • Verkehr – Elektromobilität vs Benzinfahrzeuge

Umstritten im Parlament war vor allem die Frage, wie der CO2-Ausstoss reduziert werden soll. Geht es nach dem Bundesrat, sollen die Emissionen bis 2030 gegenüber 1990 halbiert werden. Von den 50 Prozent sollen 30 Prozent auf das Inland fallen und 20 Prozent im Ausland mit Zertifikaten kompensiert werden.

Georg Klingler, Leiter Klima bei Greenpeace Schweiz, gehen die vom Parlament beschlossenen Massnahmen zu wenig weit. «Statt dem notwendigen grossen Wurf für die Lösung der Klimakrise, wird an vielen kleinen Schräubchen gedreht.»

Um das 1.5-Grad-Ziel zu erreichen, müsste die Verringerung gegenüber 1990 nämlich nicht nur halbiert, sondern um mindestens 60 Prozent reduziert werden. Wirklich ambitioniert und im Sinne des Planeten wäre sogar eine Reduzierung auf 0 Prozent Emissionen bis 2030.

Immerhin hat sich der Nationalrat gestern für eine Inland-Reduzierung von 37.5 Prozent ausgesprochen und ist damit weitergegangen als Bundesrat und Ständerat, die beide nur eine Begrenzung um 30 Prozent vorsehen.

Der Bundesrat sei bereits mit einem zu ambitionslosen Vorschlag in die Debatte eingestiegen, sagt Klingler. Wie wenig ambitioniert die Politik mit der Klimakrise umgehe, habe Umweltministerin Simonetta Sommaruga bei der Eröffnung der Debatte gestern Morgen gezeigt. Eine inländische Abnahme von 60 Prozent (was einer tatsächlichen Begrenzung von 30 Prozent entspricht) sei ein «guter Kompromiss», so Sommaruga.

«Das ist falscher Realismus», sagt Klingler. Die Folgen der Klimaerwärmung seien bereits jetzt spürbar, beispielsweise anhand zunehmender Hitzewellen, von Ernteschäden oder von extrem ausgetrockneten Wäldern, die von Borkenkäfern dahingerafft werden. Fatal sei, dass der Bundesrat nicht auf die Wissenschaft höre, obwohl er seit 1996 mit dem OcCC einen wissenschaftlichen Beirat habe. 

Wirtschaftsschutz statt Klimaschutz

Vorallem von Seiten der SVP wurden immer wieder Bedenken geäussert, dass verschärfte Massnahmen die Wirtschaft schädigen würden. «An der Ölbranche hängen in der Schweiz zahlreiche KMU», betonte etwa SVP-Präsident Albert Rösti und verteidigte damit als Präsident von Swissoil gleich die Interessen der Schweizer Erdölindustrie.

Nicht nur Rösti. Viele der bürgerlichen Politiker_innen gehen offenbar immer noch davon aus, dass die Erdölindustrie nicht Teil des Problems ist und diese Branche auch in Zukunft weitermachen kann wie bisher. Verbreitet ist die Auffassung, dass neue und effizientere Technologien den CO2-Ausstoss verringern würden.

Dabei gehe es vielmehr um einen Paradigmenwechseln, so Klingler. «Es geht darum, komplett von Ölheizungen und Verbrennungsmotoren wegzukommen und nicht nur lediglich deren Emissionen zu reduzieren.» 

Gebühren auf Flugtickets

Zu wenig weit geht die CO2-Begrenzung im Inland auch Christian Lüthi, Geschäftsleiter der Klima Allianz: «Die Emissionen im Inland müssten so schnell wie möglich um 100 Prozent zurückgehen». Während sich viele junge Menschen in der Schweiz darüber in Klaren seien, sei diese Botschaft im Parlament noch nicht ganz angekommen.

Ein weiteres Problem sieht Lüthi auch bei den Gebühren auf Flugtickets. Der Nationalrat hat zwar beschlossen, auf Kurzstrecken eine Abgabe von mindestens 30 Franken und auf Langstreckentflügen eine Angabe von maximal 120 Franken einzuführen.

Allerdings, so Christian Lüthi, müsste dabei zwingend zwischen den einzelnen Flugklassen unterschieden werden. «Es kann nicht sein, dass ein Passagier in der ersten Klasse gleich viel Steuern auf das Flugticket bezahlt, wie ein Passagier in der Economy-Klasse.» Passagiere in der ersten Klasse würden schliesslich viel mehr Platz beanspruchen als Reisende in der Economy-Klasse.

Konsterniert über die ambitionslosen Beschlüsse des Parlaments sind auch die Aktivist_innen vom Klimastreik Schweiz. «Dass nach über 18 Monaten riesiger globaler Proteste ein solch mickriges Gesetz herauskommt, ist ein Armutszeugnis für das Parlament», erklärt Nina Elmiger stellvertend für Klimastreik Schweiz.

Die kommenden Jahre sind entscheidend, wie die Schweiz die Klimakrise bewältigen und das Pariser Abkommen erreichen kann. Auch wenn das Parlament seit den Wahlen im Herbst 2019 grüner geworden ist, bestimmt aktuell noch immer eine bürgerliche Mehrheit die aktuelle Klimapolitik. Wirtschaftliche Interessen sind oft noch wichtiger als die Zukunft des Planeten und damit der Menschen.

Georg Klingler von Greenpeace Schweiz hofft bereits jetzt auf die Wahlen 2023 und in der Folge auf eine weitere Verschiebung zugunsten eines stärkeren grünen Kräfteverhältnisses im Parlament. Bis dahin heisse es aber durchzuhalten und dafür zu sorgen, dass die Klimabewegung nicht an Schub verliere.

2 Gedanken zu „Schweizer Klimaschutz ist ambitionslos. Aber besser als nichts“

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